Im Schatten der Akazie
eine scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit einstellte.
Gesättigt von einem großen Stück gekochten Rindfleisches, von dem er ebensowenig zunehmen würde wie von allen anderen Mahlzeiten, arbeitete Ameni beim Schein von Öllampen, als Serramanna seine Amtsstube betrat.
»Du liest ja noch immer …«
»Einer muß sich schließlich in diesem Land auch um den Kleinkram kümmern.«
»Du wirst dir deine Gesundheit zugrunde richten, Ameni.«
»Die leidet schon seit langem.«
»Darf ich mich setzen?«
»Wenn du mir nichts durcheinanderbringst.«
Da blieb der sardische Riese lieber stehen.
»Von Malfi gibt es noch immer nichts Neues«, klagte er. »Er vergräbt sich in der Libyschen Wüste.«
»Und Uriteschup?«
»Der läßt es sich bei seiner reichen Phönizierin gutgehen.
Würde ich ihn nicht kennen, wie ein Jäger sein Wild kennt, hätte ich geschworen, er sei ein ehrbarer, wohlhabender Mann geworden, dem der Sinn nur nach seinem Eheglück und nach gutem Essen steht.«
»Warum eigentlich nicht? Andere Fremdlinge haben sich auch von einem ruhigen und friedlichen Leben verlocken lassen.«
»Richtig …«
Der Tonfall des Sarden ließ Ameni aufhorchen.
»Worauf willst du hinaus?«
»Du bist ein ausgezeichneter Schreiber, nur, die Zeit vergeht und du bist kein junger Mann mehr.«
267
Ameni legte seine Schreibbinse beiseite und verschränkte die Arme.
»Ich habe eine reizende und sehr schüchterne Frau kennengelernt«, erzählte der Sarde. »Zu mir paßt sie ganz offensichtlich nicht, du könntest sie dagegen zu schätzen wissen …«
»Willst du mich etwa verheiraten?«
»Ich brauche häufige Abwechslung … Aber du, du wärst einer guten Frau sicher treu.«
Ameni wurde zornig.
»Mein Leben besteht aus dieser Amtsstube und dem Verwalten öffentlicher Angelegenheiten. Kannst du dir hier eine Frau vorstellen? Die würde nach ihren Vorstellungen aufräumen und dabei höchstens Durcheinander und Chaos anrichten.«
»Ich habe ja nur gedacht …«
»Hör auf zu denken und versuche lieber, Achas Mörder ausfindig zu machen!«
268
ACHTUNDDREISSIG
AMSES’ TEMPEL DER Millionen Jahre am westlichen U
R fer von Theben dehnte sich über eine Fläche von nahezu zwanzig Morgen aus. Nach den Wünschen des Pharaos schienen die Pylonen bis in den Himmel zu ragen, Bäume beschatteten die Wasserbecken, die Türen waren aus vergoldeter Bronze, die Fußböden mit Silber belegt, und zum Leben erweckte, vom Ka beseelte Bildsäulen standen in den Höfen. Um das Heiligtum herum lagen Archive und Vorratshäuser, während sich im Inneren des Bauwerks Kapellen befanden, die Sethos, dem Vater des Königs, sowie Tuja, seiner Mutter, und Nefertari, seiner ersten Großen Königsgemahlin, geweiht waren.
Oft suchte der Herr der Beiden Länder diese magische Stätte der Götter auf. Hier huldigte er dem Andenken der ihm so teuren Menschen, die für immer in ihm fortlebten, doch dieses Mal kam der Reise noch eine besondere Bedeutung zu.
Merit-Amun, seine und Nefertaris Tochter, wollte ein Ritual vollziehen, das dem herrschenden Pharao Unsterblichkeit verleihen sollte.
Als Ramses sie sah, staunte er erneut über die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. In einem enganliegenden, auf Höhe der Brust mit zwei Rosetten verzierten Kleid verkörperte sie Seschat, die Göttin der Schreibkunst.
Der König schloß sie in die Arme.
»Wie geht es dir, meine geliebte Tochter?«
»Dank deiner kann ich in diesem Tempel der Andacht pflegen und zu Ehren der Götter musizieren, wobei ich jeden Augenblick die Gegenwart meiner Mutter spüre.«
»Du hast mich aufgefordert, nach Theben zu kommen.
269
Welches Geheimnis möchtest du mir enthüllen, du, die einzige von den Tempeln anerkannte Königin Ägyptens?«
Merit-Amun verneigte sich vor dem Herrscher.
»Seine Majestät möge mir folgen.«
Als Göttin führte sie Ramses zu einer Kapelle, wo ihn ein Priester in der Ibis-Maske des Gottes Thot erwartete. Vor Ramses’ Augen schrieben nun Thot und Seschat seine fünf Krönungsnamen und seine Regierungsjahre auf die Blätter eines großen, als Relief in den Stein gemeißelten Baumes.
»Auf diese Weise«, erklärte Merit-Amun, »werden deine Annalen Millionen Jahre überdauern.«
Ramses empfand seltsame Rührung. Er war nur ein Mensch, dem das Schicksal eine schwere Last aufgebürdet hatte. Das Götterpaar beschwor indes auch eine andere Wirklichkeit herauf, die des Pharaos, dessen Seele seit Urzeiten von einem König auf den nächsten
Weitere Kostenlose Bücher