Im Schatten der Akazie
doch erst einmal hören, was unser Freund Serramanna von uns will.«
»Ich weigere mich, mit diesem Flegel zu reden!«
»Im Gegenteil, meine Schöne! Vergißt du, daß wir das verliebteste Paar im ganzen Land sind? Wirf dir ein Kleid über, das die Brüste unverhüllt läßt, und betupfe dich mit Duftöl.«
»Darf ich dir ein wenig Wein einschenken, Serramanna?«
fragte Uriteschup, indes er eine Tanit im Arm hielt, deren schmachtender Blick an ihm hing.
»Ich bin im Dienst.«
»Inwiefern betrifft der uns?« wollte die Phönizierin wissen.
»Ramses hat Uriteschup in schwierigen Zeiten Zuflucht gewährt. Heute ist er froh darüber, weil sich dein Gemahl so gut in die ägyptische Gemeinschaft eingefügt hat. Deshalb 279
gesteht euch der König eine Gunst zu, auf die ihr stolz sein könnt.«
Tanit war überrascht.
»Worum handelt es sich?«
»Die Königin tritt eine Reise an, um alle Harims von Ägypten zu besuchen, wo man ihr zu Ehren zahlreiche Feste veranstalten wird. Ich habe das Vergnügen, euch kundzutun, daß ihr zu den Auserwählten gehört, die eingeladen werden, sie auf der ganzen Reise zu begleiten.«
»Das ist … das ist ja wundervoll!« rief die Phönizierin.
»Du siehst nicht so aus, als würdest du dich auch darüber freuen, Uriteschup«, bemerkte der Sarde.
»Doch, doch … Ich, ein Hethiter …«
»Königin Maat-Hor ist schließlich selbst hethitischer Herkunft. Und du bist mit einer Phönizierin vermählt. Ägypten ist ein sehr gastfreies Land, solange man seine Gesetze einhält.
Da dies bei dir der Fall ist, wirst du als echter Untertan des Pharaos erachtet.«
»Weshalb bist du damit beauftragt worden, uns diese Neuigkeit zu überbringen?«
»Weil ich für die Sicherheit der hohen Gäste verantwortlich bin«, antwortete Serramanna mit breitem Grinsen. »Und ich werde dich keinen Atemzug lang aus den Augen lassen.«
Sie waren nur an die hundert, aber schwer bewaffnet und aufs beste ausgebildet. Malfi hatte einen Trupp zusammengestellt, dem nur seine fähigsten Männer angehörten, eine Mischung aus erfahrenen Kriegern und jungen Kämpfern mit unerschöpflicher Kraft.
Nach einer Zeit letzten Drills, bei dem zehn Untaugliche zu Tode gekommen waren, hatte der Trupp das geheime Lager in der Libyschen Wüste verlassen und war gen Norden aufgebrochen, zum westlichen Rand des ägyptischen Deltas.
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Bald in Booten, bald auf schlammigen Pfaden durchquerten sie dieses Delta in östlicher Richtung. Danach wollten sie den Weg zur arabischen Halbinsel einschlagen und dort die Karawane mit den kostbaren Gütern überfallen. Noch vor der Grenze sollten Uriteschup und seine Gefolgsleute zu ihnen stoßen und genaue Auskünfte über die Gepflogenheiten der ägyptischen Grenzposten mitbringen, damit sie ihrer Aufmerksamkeit entgingen.
Später, wenn sie sich daranmachten, das Land zu erobern, würde der erste Vorstoß zu einem wahren Triumphzug geraten.
Die unterjochten Libyer gewannen dabei bestimmt neuen Mut, und Malfi wurde der Held eines nach Rache dürstenden Volkes. Er wollte den Nil in einen Strom des Blutes verwandeln. Doch zuvor galt es, die Ägypter in ihren wichtigsten Werten zu treffen: bei der Ausübung von Riten und Götterkulten, mit denen sie die zeitlose Regel der Maat zum Ausdruck brachten. Ohne Weihrauch, ohne Olibanum und Myrrhe, würden sich die Priester im Stich gelassen fühlen und Ramses beschuldigen, er habe das Bündnis mit dem Himmel verletzt.
Der Späher kehrte um.
• »Wir können nicht mehr weiter«, erklärte er Malfi.
»Hast du den Verstand verloren?«
»Sieh es dir selbst an, Kommandant!«
Kurz danach lag Malfi im Schütze eines Dornengestrüpps bäuchlings auf einem Erdhügel und traute seinen Augen nicht.
Die ägyptische Armee war auf einem breiten Landstreifen aufmarschiert, der sich zwischen dem Meer und den Sümpfen erstreckte, und es wimmelte von kleinen Barken voller Bogenschützen. Von hölzernen Türmen aus konnten die Wachen einen weiten Horizont überblicken. Es mußten mehrere tausend Soldaten gewesen sein, die von Merenptah, Ramses’ jüngerem Sohn, befehligt wurden.
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»Da ist kein Durchkommen«, stellte der Späher fest. »Sie würden uns schnell ausmachen und niedermetzeln.«
Malfi durfte seine besten Männer, die künftige Speerspitze der libyschen Armee, nicht in den Tod schicken. Eine Karawane auszulöschen war einfach, aber es mit so vielen ägyptischen Soldaten aufnehmen zu wollen wäre selbstmörderisch.
Vor Zorn packte der
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