Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
Hass dermaßen aufgestaut hatte?
Plötzlich musste Nikolaus wieder an die Gerüchte wegen des leeren Sargs denken. War an dem Gerede doch mehr dran, als er vermutet hatte? Lebte Katharina doch noch, hielt sich weswegen auch immer verborgen und war gekommen, um ihre Tochter zu beschützen? Hielt sie Nikolaus auch für eine Bedrohung? Sollte er Wilhelm folgen?
»Warum fragtet Ihr mich, ob ich so enden will wie Euer Bruder? Wollt Ihr mich warnen oder mir drohen?«
Dietrich drehte sich um. Zum ersten Mal konnte man so etwas wie ein Lächeln sehen. »Das liegt im Auge des Betrachters. Derjenige, der Wilhelm umgebracht hat, wird wegen Euch nicht plötzlich Skrupel haben.«
»Habt Ihr Skrupel?«
Jetzt lachte er. »Ihr seid sehr offen, mein Herr. Zu offen, um ein gesundes, langes Leben in Aussicht zu haben. Ich habe nicht behauptet, dass ich Wilhelm getötet habe. Ich habe auch nicht gesagt, wir wären ein Herz und eine Seele gewesen.«
»Und was soll ich Eurer Meinung nach tun?«
»Lasst die Angelegenheit ruhen und verschwindet so schnell es geht, sonst seid Ihr bald derjenige, den man Mörder nennt.«
Und schon marschierte er die Burganlage hinauf und ließ Nikolaus allein zurück.
Was hatte der kränkliche Burgherr zu seinem ältesten Sohn gesagt? ‚Du hast ihn gehasst. Sei froh, dass du dein Erbteil nun nicht mehr mit ihm teilen musst.´ War die Abneigung des jungen Dietrich so groß, dass er solch einen bestialischen Mord hätte begehen können? Hatte hier eine neuzeitliche Version der Geschichte von Kain und Abel stattgefunden? Wie aber war der älteste Sohn an Christinas Messer gelangt? Diese Frage war bei allen Verdächtigen entscheidend.
Langsam machte er sich wieder auf den Weg in den Ort. Dietrichs Sätze waren voller geheimnisvoller Andeutungen gewesen. Das Gespräch hatte mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.
Bauer Dunkel
Nikolaus war so mit sich und seinen Gedanken beschäftigt, dass er fast in einen Mann hineingelaufen wäre, der seinen mit Kohl und Rüben voll beladenen, zweirädrigen Karren durch den Ort schob.
»Passt doch auf!«, schnauzte der Bauer los. »Wollt Ihr, dass mir meine Ernte kaputt geht?«
Der junge Mann entschuldigte sich mehrfach für seine Unachtsamkeit. Dann erkannte er sein Gegenüber. Es war der Zecher aus der Gaststube gestern Abend, der nach der Stichelei seiner Kumpane abgehauen war. Sie hatten ihn schief angegrinst, als das Thema auf Christina als mögliche Schwiegertochter gekommen war. Wie hieß der Mann noch? Der Vorname war Martin. Und der Nachname? Schwarz? Nacht? Nein. Jetzt fiel es ihm wieder ein: Dunkel.
»Ich verstehe Euch, Meister Dunkel«, sagte Nikolaus unvermittelt.
»Was?«
»Ich verstehe, wenn Ihr auf Eure Nachbarn wütend seid, weil sie darüber lästern, dass Christina Rüth Euren Sohn abgewiesen hat.«
Der Bauer zog ein misstrauisches Gesicht. »Ihr seid doch nicht von hier, oder?«
»Nur auf der Durchreise.«
»Woher wisst Ihr dann davon?«
»Ich habe gestern Abend bei Kalle Kleinz in der Gaststube gesessen und Euer Gespräch mit angehört. Ich saß zwei Tische weiter an der Wand.«
Dunkel nickte langsam. »Stimmt. Da saß jemand. Aber ich habe nicht weiter auf Euch geachtet.«
»Welchen Grund hättet Ihr auch haben sollen?«
Der Bauer wollte seinen Karren wieder in Bewegung setzen.
Aber Nikolaus war wegen der Geschichte neugierig. »Es ist nicht sehr fein, wenn die anderen lästern. Es ist ja nicht Eure Schuld. Oder die Eures Sohnes.«
Martin Dunkel stieg nun wieder die Röte ins Gesicht. Seine Stimme wurde energischer. »Dieses Luder hat meinen Albert mit der Begründung abgelehnt, dass er ihr zu dumm sei. Könnt Ihr Euch das vorstellen?«
Nikolaus öffnete den Mund, konnte aber so schnell keine diplomatische Antwort finden.
»Aber die andere Zeit hat sie immer mit den Herrschaften herumgemacht. Die waren ihr nicht zu dumm. Dabei ist sie für Wilhelm doch nur ein Spielzeug. Der nimmt sich doch immer, was er will. Der wird bald eine aus ´ner reichen und wohlhabenden Familie heiraten. Die hat ihm der alte Dietrich bestimmt schon ausgesucht.« Jetzt machte er ein erschrockenes Gesicht. »Äh … ich meine … so eine hätte er geheiratet, wenn er nicht umgebracht worden wäre.«
»Da habt Ihr recht.«
»Das will ich auch meinen. Wilhelm hat den Tod verdient, und Christina bekommt eine angemessene Strafe für ihre Hochnäsigkeit.«
»Und wenn sie es nicht war?«
Der Bauer machte ein verblüfftes Gesicht, sagte aber
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