Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

schönes Antlitz. Wild wie das einer Dschungelkatze mit grünen Augen, in denen sich Wut und Furcht paarten. »Die Götter werden uns fressen!«
    »Nein, das werden sie nicht!«, brüllte Bob gegen das Jaulen des Windes an und fragte sich im selben Moment, was ihn da so sicher machte. »Das ist nur ein Sturm!«
    Lysa lachte grell. »Sagt einer, der nie auf dem Meer war?«
    »Ja, sagt er!«, schrie Bob und stimmte in ihr Gelächter ein.
    Plötzlich trug der Wind einen grellen Schrei heran. Bob und Lysa fuhren herum. Mehrere Amazonen, die sich nur mühsam aufrecht halten konnten, deuteten zum Bug. Ihre Münder waren weit aufgerissen. Bob folgte ihren Blicken und seine Glieder drohten nachzugeben.
    Vor der Wing bäumte sich eine Wasserwand auf.
    Schlimmer war das, was der Welle entsprang.
    Ein Monster wie aus einem Alptraum.
     
     
    Connor verließ die Kraft. Das Ruder bäumte sich seiner Kraft entgegen, es passte sich den Wasserströmungen an und Connor wusste, dass er das Schiff ohne Hilfe nicht mehr lange auf Kurs halten konnte. Verzweifelt suchte er nach etwas, mit dem er das Ruder vertäuen konnte. Er wusste – woher, war ihm unklar – dass dies eine winzige Überlebenschance bedeutete. Ein vertäutes Ruder reagierte zwar nicht mehr auf die individuellen Strömungen, doch es hielt das Schiff auf Kurs. Er sah nichts, was er benutzen konnte. Also würden sie den Kurs verlieren!
    In seinem Innersten ahnte er, dass sie, sollte das geschehen, verloren waren. Überließ man einen Schoner dem Sturm, kenterte er. Der Sturm sorgte für wilde Manöver und Wasser schlug über Deck. Zwar hatte die Wing keine Stückpforten, denn sie trug keine Kanonen, dennoch gab es Luken, die sich füllen konnten.
    Es sei denn, Lysa befahl, alle Segel einzuholen. Dann hatten sie eine geringe Chance, den Sturm zu überleben. Einer Nussschale gleich würde die Wing auf den Wellen tanzen und wenn die Götter es wollten ...
    Der Großmast war eine einzige glühende Säule.
    Lysas Crew waren scharfe Schatten, die versuchten, die Situation zu retten.
    Neue Wellen liefen an, weniger hoch als vorher, dafür eine nach der anderen. Erleichtert nahm Connor wahr, dass Bama und Frethmar sich unter Deck flüchten konnten. Bob allerdings befand sich in Gefahr. Das Bug tauchte ab und Wasser schlug über Bord. Ihre Kämme brachen lang und Bob und einige Amazonen verschwanden unter Wasser, die Welle lief vor Connors neuen Stiefeln aus, floss zurück und, den Göttern sei Dank, waren sie noch immer vollzählig.
    Das Großsegel war längst eingeholt, das Fock zerrissen und mittels Frethmars Hilfe weggeschlagen. Bei der Wing handelte es sich um einen Segelschoner, ein schnelles Schiff, wie es von den Soldaten Dandorias zur Piratenjagd benutzt wurde. Man brauchte nur eine kleine Besatzung, denn das Schiff war gut zu handhaben. Die Wing trug zwei Masten und über dem Großmast war ein Kugelblitz eingeschlagen, der sich in ein Elmsfeuer auflöste.
    Verfügte die Wing über eine Kielflosse? Diese würde ein Kentern verhindern, überlegte Connor. Vermutlich verfügte der Schoner über ein Kielschwert, was auch nicht übel war, jedoch weniger Sicherheit bot.
    Beim allmächtigen Gordur, der sich im immerwährenden Streit mit den anderen Göttern befand, woher hatte Connor diese Kenntnisse? Wer hatte ihm das beigebracht?
    Vor nur einer Woche war er auf einem Händlerschiff gewesen, welches von Piraten überfallen wurde. Ein Seeungeheuer hatte das Grauen vervollständigt und beide Schiffe waren gesunken. Nach fast drei Tagen im Wasser hatte Connor sich auf die Insel Fuure retten können, wo er Bob und seine Leute kennen lernte.
    Klar war – Connor wusste, wie es auf See aussah. Allerdings hatte er Kenntnisse, die des einen normalen Reisenden übertrafen. Woher kam er? Wie sah seine Vergangenheit aus? Nach und nach lösten sich Erinnerungen in seinem Hirn wie Steine aus einer Mauer. Bruchstücke! Hatte er Familie? Kinder? Ein Weib, das auf ihn wartete? Hatte er eine Mission und falls ja, welche?
    Connors Gedankengänge wurden unterbrochen, als sich eine gigantische Welle vor die Wing schob, eine graue Wand, die sie erschlagen würde. Es war die Welle! Es war die Legende einer Welle! Es war das Ende!
    Connor wollte die Augen schließen, doch er konnte nicht. Was auf sie zuraste war das Grausigste, das er je gesehen hatte. Und das Schönste! Eine Urgewalt, die sein Blut gefrieren ließ und seine Sinne erregte. Schönheit und Tod in einem.
    Ohne dass er es merkte, lösten