Im Schatten der Königin: Roman
solcher Wunsch, nie gekommen wäre?«
»Die beste Freundin meiner Kindheit war deine Mutter, die mir auch meine eigene Mutter ersetzte«, sagte ich abrupt. »Ich bin nicht derjenige, der Lehrer mit Prinzen und Prinzessinnen geteilt hat, Vetter, aber ich weiß doch, dass Thronanwärter keine besten Freunde haben. Sie haben Untertanen. Und wann immer ein Untertan zu hoch strebt, endet es in Blut und Tränen. Wer nur auf Zehenspitzen stehen will, steht nicht sicher. Denk daran. Denk immer daran!«
»Oh, ich habe diese Lektion inzwischen gelernt«, sagte er. »Ich habe sie gelernt, bevor Elizabeth auf den Thron kam, und sollte ich sie seither vergessen haben, dann wurde sie mir wieder neu beigebracht. Sie hat nicht einen Moment gezögert, als ich ihr von Amys Tod erzählte, Vetter. Sie hat mich sofort aus ihrer Gegenwart verbannt und verboten, dass ich mich aus Kew entferne, bis die Jury zu einem Urteil gekommen ist. Selbst wenn mich jeder Geschworene für so unschuldig wie reinen Schnee erklärt, selbst dann, sagte sie, würde sie mich nicht heiraten, und sie verbiete mir, mir je Hoffnungen darauf zu machen.«
Ich machte einen Schritt auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter.
»Du magst mich für diese Worte hassen und Verräter nennen, Vetter, aber das ist nicht die schlechteste Nachricht, die ich heute höre. Als ich dich am Montag verlassen habe, trug ich die Furcht im Herzen, dass die Königin selbst Amys Tod wollte, weil die Liebe zu dir ihr Frauenherz überwältigt hatte.«
Robin lachte kurz auf. Es lag nicht der geringste Funken Humor darin.
»Tom, die einzige Frau, die ich je gekannt habe, die wirklich nur ihrem Herzen statt ihrem Verstand, der Familienpflicht oder der wirtschaftlichen Notwendigkeit folgte und um der Liebe willen alles andere in den Wind schlug, war Amy.«
Ich wollte protestieren und andere Beispiele nennen; da ich ihn um eine ganze Reihe an Jahren und Erfahrung übertraf, kannte ich einige. Doch unvertraute Namen wären ihm leerer Wind gewesen, und wenn ich mich auf die Frauen besann, die wir beide kannten, dann rannen mir meine Beispiele wie Sand aus den gespreizten Fingern. Meine Margery war eine treue und liebende Gattin, doch sie hatte mich seinerzeit genommen, weil ihre Eltern ihr das befahlen. In jener unvergessenen Nacht in diesem Jahr, kurz bevor Amy Kidderminster verließ, hatte Margery mir auseinandergesetzt, dass ich Zeichen und Wunder in meinem Heim erleben würde, wenn sie nicht bei jedem Gespräch mit Lady Dudley an das dächte, was die Vernunft geböte. »Männer sind nun einmal alle gleich und empfänglich für Schmeichelei«, sagte sie, »vor allem von Frauen, die sie über sich wähnen.« Wenn Margery auch nicht gewusst hatte, was vor sich ging, so hatte sie es doch geahnt, und dennoch war sie es gewesen, die ihren Verstand und ihre Selbstbeherrschung bewahrt hatte. Also schwieg ich, und dachte an Amy und die Gefahren des Höllenfeuers.
»Es gibt schlechtere Grabessprüche für sie, my lord«, murmelte ich, und obwohl meine Hand immer noch auf seiner Schulter lag, brachte die erneute Förmlichkeit wieder etwas Abstand zurück.
»Die gibt es wohl«, stimmte er zu, doch es lag keine Weichheit oder Trauer in seiner Stimme. »Aber die Wahrheit ist, dass sie überhaupt keinen Grabesspruch haben sollte. Noch lange Jahre nicht, bis in ein hohes Alter hinein. Die Wahrheit ist auch, dass ich sie nicht ins Leben zurückwünschen kann, ohne mich gleichzeitig von ihr getrennt zu wünschen, und was ist Bedauern dann wert?« Erneut traf sein Blick den meinen. »Ich habe dir gesagt, dass es dir nichts nützt, zu wissen, was in meinem Herzen ist, Vetter.«
»Und ich sagte Euch, dass ich nicht um des Nutzens willen gefragt habe«, entgegnete ich. Seine Mundwinkel zuckten.
»Vetter Blount, ich glaube, ich war zu lange bei Hofe. Ich glaube, es ist an der Zeit für eine weitere Flasche Wein zwischen uns. Aber erzähle mir zuerst von Cumnor. In deinen Briefen hieß es, du wolltest mir persönlich Bericht erstatten, also gibt es Dinge, über die du nicht geschrieben hast.«
»Die gibt es in der Tat.«
Eine Stunde später saßen wir immer noch in der Bibliothek, mit zwei Bechern und einer halbgeleerten Flasche zwischen uns. Ich berichtete von hellseherisch begabten und doch toten Knechten, stellungssuchenden Zofen, Geschworenen aus Cambridge, merkwürdigen Schauspielern sowie in Oxford verschollenen jungen Frauen. Robin hatte mich nur einmal unterbrochen, als ich auf John
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