Im Schatten der Leidenschaft
in der Lage sein, mehr zu tun, als nur zuzusehen. Danach würde ihn Jasper dann töten und die Blutrache endlich zum Abschluß bringen.
Es klopfte an der Tür, und Denis kam herein, wobei er noch den Schnee von seinem Hut schüttelte. »Elendes Pech«, erklärte er voller Abscheu. »Ich hatte schon alles arrangiert, und jetzt dies.« Er deutete zum Fenster.
»Geduld«, rief Jasper noch einmal und schöpfte Punsch in einen dritten Pokal. »Wir verlieren nichts, wenn wir noch ein oder zwei Tage warten.«
Denis nahm mit einem gemurmelten Dankeschön den Pokal entgegen. »Ich habe nur Angst, daß irgend etwas passiert«, sagte er. »Jetzt habe ich sie genau da, wo ich sie haben wollte ... Im Augenblick würde sie alles tun, was ich vorschlage. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß es wie ... ich weiß nicht... daß sie wie ein zu stramm gespanntes Seil ist, das jeden Augenblick reißen kann.«
Jaspar sah heftig auf. »Warum? Was ist mit ihr los?«
»Ich weiß es nicht. Nichts direkt Faßbares, aber ... aber ich spüre es deutlich.« Er trank einen Schluck und suchte nach Worten. »Manchmal habe ich das Gefühl, als würde sie mich nur benutzen. Manchmal denke ich, daß sie mich überhaupt nicht sieht, selbst wenn sie mir ganz aufmerksam zugewandt ist.«
»Ach Unsinn«, sagte Jasper. »Eingebildeter Unsinn. Das dumme Luder hat sich Hals über Kopf in dich verliebt. Sie ist wie ein Kind und hat nicht mehr Ahnung von der Welt als ein Fünfjähriges. Ich vermute, daß sie außerordentlich beeindruckt ist vor dir.«
Denis hätte das auch gern geglaubt, konnte es aber nicht. Doch da er sich auch nicht genauer erklären konnte, ließ er das Thema fallen.
»Hast du sie schon geküßt?« wollte Crispin mit der Gereiztheit des Neides wissen.
»Ein Küßchen auf die Wange«, sagte Denis. Wieder war es ihm unmöglich zu erklären, woher seine Überzeugung kam, daß, wie willig sie auch zu sein schien, es doch bestimmt eine Grenze gab, die sie nicht überschreiten würde. Wenigstens nicht freiwillig.
»Ich will sie nicht verängstigen, indem ich zu nachdrücklich werde«, erklärte er.
»Dafür wird noch genug Zeit sein«, sagte Jasper. Er richtete sich auf und streckte sich, dann ging er zum Fenster. Wie lange mochte es dauern, bis es aufhörte zu schneien? Es war wirklich Pech, daß es so früh im Dezember schon einen Schneesturm gab. Aber er würde bestimmt bald nachlassen, und bis zur nächsten Woche wären sie dann unterwegs.
Als Hugo am selben Nachmittag ins Haus kam, war ihm klar, daß sie diesen Abend alle zusammen zu Hause bleiben würden. Kein vernünftiger Mensch würde unter solchen Umständen seine Pferde aus dem Stall holen, außer wenn es um Leben oder Tod
ging.
Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, fragte er sich, wo Samuel war. Zwei von Beatrices Kätzchen spielten in der Halle fangen und rutschten über das gebohnerte Holz zwischen seinen Füßen hindurch, bis sie schließlich die Treppe hinaufstürmten. Er nahm die Post vom Tisch und sah sie durch. Kurz darauf fiel ihm erst auf, wie seltsam still es im Haus war. Und Denis DeLacy scheint diesmal auch nicht hier zu sein, dachte er finster und ging in die Bibliothek.
Das Feuer war heruntergebrannt, und er runzelte die Stirn und warf noch einen Holzklotz auf die Glut. Wo waren sie alle? Er hatte ja nicht sehr viel Personal, aber doch genug, um erwarten zu können, daß an einem solchen Tag die Feuer nicht ausgingen.
Er ging in die Halle und brüllte nach Samuel. Erst kam keine Antwort, dann erschien Chloe oben auf der Treppe.
»Hugo!« Ihre Stimme brach, erstickt von Tränen, und er blieb am Fuß der Treppe stehen.
»Was ist los, Liebes?« Er gebrauchte selten Kosenamen, doch diesmal bemerkten sie es beide nicht.
Sie flog die Treppe hinunter in seine Arme. »Peg«, schluchzte sie an seiner Brust. »Peg ist fort.«
»Fort? Wohin?«
»Ich weiß es nicht! Sie kann nicht lesen und schreiben, also hat sie keine Nachricht hinterlassen. Sie ist einfach nur verschwunden.«
»Jetzt warte mal einen Augenblick.« Hugo stellte sie gerade hin und zog sein Taschentuch heraus. »Ich verstehe kein Wort, wenn du so murmelst. Berichte von Anfang an.«
»Es gibt keinen Anfang«, sagte sie, nahm sein Taschentuch, benutzte es aber nicht, so daß ihre Tränen weiter über ihre Wangen rannen. »Sie ist einfach fort, das ist alles. Hinaus in den Schnee. Und sie hat das Baby hiergelassen. Warum? Warum tut sie etwas so Dummes? Sie wird sich zu Tode
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