Im Schatten der Leidenschaft
denen sie gehen könnte?«
»Oh, Sie können mich nicht einfach zu irgendeiner alten Tante schicken, mit deren überfüttertem Mops ich Spazierengehen und deren Silber ich putzen muß«, sagte Chloe.
»Ich dachte, du magst Tiere.«
»Das schon, aber eher diejenigen, die andere Leute nicht mögen.«
Interessant, dachte er, sagte aber nur: »Hast du eine solche Tante?«
»Nicht daß ich wüßte«, sagte Chloe. »Aber im Internat war ein Mädchen, das eine solche Tante hatte.«
Die Tante von jemand anderem nützte in diesem Falle nichts. »Scranton?« wandte sich Hugo an den Anwalt, der sich in aller Ruhe den Mund abwischte und noch einen Schluck aus seinem Glas nahm.
»Lady Gresham hatte keine lebenden Verwandten, Sir Hugo.
Daher der Umfang von Miss Greshams Vermögen. In Sir Stephens Seite der Familie kenne ich mich nicht aus. Aber da könnte vielleicht Sir Jasper helfen.«
Das war eine Sackgasse, wenn er Elizabeths unausgesprochenen Wünsche erfüllen wollte. »Vielleicht könnte ich ja eine Gouvernante anstellen - nein, unterbrich mich nicht schon wieder«, sagte er knapp, als Chloe etwas einwenden wollte. »Das Mädel könnte irgendwo in die Obhut einer respektvollen Dame gebracht werden.«
»Um was dort zu tun?« wollte Chloe wissen.
Das war keine unberechtigte Frage, mußte er zugeben. Aber...
»Ich sehe keine andere Lösung. Deine Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen.«
»Ist sie absolut«, unterbrach sie ihn und vergaß dabei ganz seine Bemerkung von vorhin. »Ich kann alles, was man in meinem Alter können muß, und auch noch eine Menge anderer Dinge.«
»Zum Beispiel?«
»Ich kann einen gebrochenen Vogelflügel schienen und bei der Geburt eines Lammes helfen. Ich weiß, wie man Hufläufe behandelt und -«
»Das bezweifle ich nicht«, unterbrach er sie diesmal. »Doch das ändert nichts an den Tatsachen.«
»Warum kann ich nicht hierbleiben?« Sie stellte die einfache Frage ohne wesentliche Betonung.
»Und was willst du hier tun?« gab Hugo ihr ihre eigene Frage zurück. »Lancashire ist weit weg von einer Einführung in die Londoner Gesellschaft.«
»Vielleicht auch nicht«, sagte sie ruhig.
Was zum Teufel sollte das jetzt wieder bedeuten? Hugo gab es auf. Es war offensichtlich, daß sich an diesem Abend nichts mehr ändern würde. »Im Augenblick gibt es wohl kaum eine andere Möglichkeit. Du wirst heute nacht hierbleiben müssen.«
»Habe ich dir doch gesagt«, meinte Chloe mit einem süßen Lächeln zu Samuel, der die Teller zusammenstellte.
»Scheint mir auch so«, sagte Samuel.
KAPITEL 4
Das verzweifelte Jaulen des Hundes war ein passender Hintergrund für finstere Erinnerungen. Hugo saß am Klavier in der Bibliothek, eine einzelne Talgkerze warf ihr gelbes Licht auf die Tasten, und seine Hände suchten nach einer Melodie aus der Vergangenheit. Es war ein Stück, das er für Elizabeth komponiert hatte, doch er hatte einen Teil davon vergessen.
Ungeduldig wandte er sich ab und griff nach seinem Glas. Er hatte das Gefühl, daß er ihr die Melodie sowieso nie vorgespielt hatte. Er leerte das Glas und füllte es wieder.
Seine Liebe für Stephens Frau war ein Geheimnis gewesen, das außer ihm nur Elizabeth gekannt hatte ... ein Geheimnis, das der hingerissene Jüngling während der zwei Jahre ihrer Bekanntschaft gehegt und gepflegt hatte. Sie hatten ihre Liebe nie vollzogen, das wäre für Elizabeth undenkbar gewesen, und trotz seines nagenden Verlangens hatte er auch die Reinheit seiner Gefühle für sie genossen. Welch ein Gegensatz zu dem restlichen Sumpf, in dem er sich bewegt hatte!
Er erinnerte sich an ihre erste Begegnung, als wäre es gestern gewesen. Sie hatte während des ganzen Wochenendes fast kein Wort gesprochen, aber ihre Schönheit hatte ihn bezaubert, wie die Schatten in ihren blauen Augen und ihre Ausstrahlung von Zerbrechlichkeit. Er hatte sich danach gesehnt, ihr dienen zu können; sie zu erretten von dem, was sie so unglücklich machte, war zu seiner Besessenheit geworden.
Es war kurz nach seiner Einführung in die Bruderschaft von Eden gewesen, wie sie sich genannt hatten, und in Gresham Hall in Shipton wurde eine Versammlung abgehalten. Die Gesellschaft war von Stephen und zwei seiner Kumpane gegründet worden, und durch seinen Sohn Jasper waren in kurzer Zeit eine Menge Mitglieder aus der Londoner Aristokratie dazugekommen, deren junge Männer sich angesichts von endlosen sinnlosen Vergnügungen langweilten, so daß sie nach Erfahrungen such-ten, die
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