Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
Mentholfilter, wenn Sie schon dabei sind.«
» Nein«, entgegnet Mrs Todiwallah, dreht sich zu den Regalen um und nimmt den Tabak heraus. » Es gibt einen Unterschied zwischen einem Zeitungsladen und einer Zeitung, wissen Sie. Wir verkaufen Zeitungen, die sammeln Neuigkeiten.«
» Und die Filter?«, fragt die korpulente Frau. Knirschend bückt sich Mrs T, die in einen indischen Salwar Kameez in Übergröße gewandet ist, und holt die Schachtel hervor. Deshalb gehen die Leute zum Einkaufen in den Supermarkt, geht es Martin durch den Kopf. Dort muss man nicht quatschen. Man bezahlt einfach nur seinen Kram und geht wieder.
» Nein.« Sie richtet sich langsam wieder auf und klatscht die Waren auf die Theke. » Im Radio ist nichts gekommen. Nur, dass ein Mann verhört worden ist und heute vielleicht später Anklage gegen ihn erhoben wird.«
» Ist denn niemand hier gewesen, der etwas weiß?«
» Ich könnte mir denken«, erwidert Mrs Todiwallah, » dass Leute, die etwas wissen, sich wohl eher an die Zeitungen als an einen Zeitungsladen wenden. Ich zahle nämlich nicht für Neuigkeiten, wissen Sie, sondern verkaufe sie bloß.«
Martin fragt sich flüchtig, worüber die beiden eigentlich reden. Er gehört nicht zu denen, die sich in anderer Leute Unterhaltung einmischen. Ungeduldig tritt von einem Fuß auf den anderen. Wenn die beiden noch länger tratschen, könnte die Ladenbesitzerin dabei wenigstens weiterbedienen.
» Also, das sind jedenfalls mal gute Neuigkeiten«, meint die korpulente Frau.
» Ja, allerdings«, bestätigt Mrs Todiwallah. » Das macht fünf Pfund dreiundzwanzig, bitte.«
Erneut beginnt die korpulente Frau damit, ihr Kleingeld Münze für Münze abzuzählen.
Martin wirft einen Blick auf seine Zeitung und sieht, dass unten rechts eine kleine Überschrift eingefügt ist, die die Unterhaltung der beiden Frauen näher erklären könnte. DURCHBRUCH BEI FERIENORT - MORDEN . Und darunter steht: » Sondermeldung, 3 Uhr. Polizei von Whitmouth verhaftet verdächtigen Strandwürger. Mehr: siehe Seite 2«.
Er brennt darauf, sie aufzuschlagen und es sofort zu lesen, wartet jedoch geduldig damit, bis er bezahlt und den Laden verlassen hat. Er hat jede Menge Zeit. Das Gedruckte wird sich nicht verändern, wenn er fünf Minuten länger braucht, bis er es lesen kann. Trotzdem ertappt er sich dabei, dass er die Canal Street entlangeilt, begierig darauf, sich zu informieren.
Er setzt sich auf eine Bank, packt seine Blätterteigtasche mit der Wurst darin aus und beißt hinein. Schlägt die Seite auf und sieht zu seiner Enttäuschung, dass das » Mehr« ziemlich dürftig ist. » Die Polizei verhaftete um 1 Uhr nachts einen Mann, der verdächtigt wird, der Strandwürger zu sein«, beginnt der Bericht, geschrieben von einem namenlosen » Mitarbeiter«.
Die Beamten wurden an den Schauplatz eines Zwischenfalls auf einem brachliegenden Grundstück abseits der Hauptstraße von Whitmouth gerufen und verhafteten dort einen Mann, den Passanten festhielten. Eine junge Frau wurde in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht und wird dort behandelt. Sie erlitt Schnittwunden, Blutergüsse und einen Schock. Der Mann wurde, nachdem auch er im gleichen Krankenhaus medizinisch versorgt worden war, auf das Polizeirevier von Whitmouth gebracht und wegen Überfalls, schwerer Körperverletzung und dem Straftatbestand der Bedrohung angeklagt. Man erwartet, dass er binnen der nächsten 48 Stunden in Untersuchungshaft kommt. Es wurden keine Namen bekanntgegeben.
Das war’s?
Ich muss zum Revier. Sehen, was ich rauskriege. Deshalb waren all die Leute dort. Er wird da drin gerade festgehalten, wer auch immer es ist.
Er liest den Text erneut, nimmt noch mal einen Bissen von der Blätterteigtasche und spült ihn hastig mit einem Schluck seines Getränks hinunter. Am unteren Seitenrand fällt ihm der fettgedruckte Hinweis auf einen weiteren Artikel auf: » Meine Schreckensnacht in Whitmouths heruntergekommenen Hintergassen, Seite 27«.
Ja, denkt er, da ist sie. Er blättert die Geschichten aus dem Showgeschäft durch, bis er die Seite gefunden hat, und spürt, wie ihm das Blut in die Wangen schießt. Da ist sie wieder und grinst ihn von dem briefmarkengroßen Bild neben der Überschrift an. Daneben die Abbildung einer anderen Frau. Sie schaut in eine Gasse und hält ihre Handtasche umklammert. Diese Gasse gibt es in Whitmouth nicht einmal– jedenfalls nicht, dass er wüsste. Sieht eher nach einer dieser Gassen für die Müllabfuhr aus,
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