Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
noch mal«, sagt Debbie und klettert von Darren Walkers Schoß. Sie zieht das T-Shirt unter ihrer Lederjacke herunter – eigentlich ist es für Leder viel zu heiß, aber dieser schwarze, nietenbesetzte Blouson ist das coolste Kleidungsstück, das sie je besaß, und dafür nimmt sie die Unbequemlichkeit gern in Kauf. Mit ihren zehn Zentimeter hohen Stöckelschuhen stolziert sie über den Asphalt und türmt sich vor ihrer Schwester auf.
» Wenn du nicht die Klappe hältst, kneif ich dich«, droht sie. » Mama hat mir die Verantwortung übertragen, und das heißt, dass du machst, was ich dir sage. Verstanden?«
» Aber –«, setzt Chloe an.
Debbie fährt zwei Finger mit roten Nägeln aus und zwickt sie über dem Ellbogen. Chloe schreit auf und fängt an zu weinen. Vor einer Stunde hat Debbie sie gezwungen, ihren Anorak auszuziehen, und ihre Haut ist bereits krebsrot und ohnehin schon gereizt, sodass der Kniff ihr die Tränen in die Augen treibt.
» Und jetzt Klappe«, hört sie Debbie durch den Schmerzschleier sagen, » oder es gibt noch mehr davon.«
» Aber sie hat’s gesagt. Sie hat’s gesagt!«
Sie sieht, wie Debbie wieder die Finger ausstreckt und so tut, als wollte sie sie erneut quälen. Sie duckt sich ins Gras. » Ich. Bin. Verdammt. Noch. Mal. Beschäftigt«, blafft Debbie. » Beib einfach hier sitzen und lutsch deinen Lolli, und wenn ich so weit bin, kriegst du was zum Mittagessen, okay?«
Sie dreht dem weinenden Kind den Rücken zu, und ihr Gang wird tänzelnd, als sie ihren Romeo auf der Bank sieht, die Beine gespreizt, den Arm der Länge nach neben sich ausgestreckt. In seinem vorgeschobenen Schritt kann sie die Konturen seiner Erektion erkennen und verspürt einen Anflug jugendlichen Stolzes. Darren Walker kriegt nicht jede. Er mag vielleicht grob sein, aber er ist wählerisch. Sie erreicht die Bank und registriert sein selbstzufriedenes Lächeln, als sie an Bord klettert. Eigentlich dürfte ich ihn nicht mögen, denkt sie. Kein Mädchen sollte einen Jungen mögen, der sie so ansieht. Aber ich tu’s nun mal, ich kann’s nicht ändern. Er hat irgendetwas an sich, dem ich mich nicht entziehen kann.
Bei Darren gibt es keine Subtilitäten, keine Feinheiten. Die Jungs, die sie vor ihm kannte, sind Stümper. Die würden nie einfach an der Stelle weitermachen, wo sie vor einer Unterbrechung stehengeblieben waren. Innerhalb von zehn Sekunden ist seine Hand zurück unter ihrem Hemd und in ihrem BH und streichelt mit dem Daumen ihre Brustwarzen. Sie ist an die unsicheren Finger ihrer Altersgenossen gewöhnt, die quetschen, sich vorsichtig vortasten und wild herumstochern. Doch das hier ist anders. Sie schmilzt dahin und setzt sich rittlings auf seinen Schoß, damit sie seine Schwellung besser spürt. Irgendwo tief aus ihrem Inneren vernimmt sie einen überraschenden, zarten Ton – halb Seufzen, halb Stöhnen – und fragt sich: Wo kam das denn her? Sieht ein Lächeln – diesen triumphierenden Blick – auf sein Gesicht zurückkehren und spürt, wie sich seine Hand in die Haare in ihrem Nacken gräbt. Er riecht nach Zigarettenrauch und Kaugummi.
Ihre Schenkel liegen auf den seinen, sie presst ihren Schoß gegen den seinen und spürt tief in sich das vertraute Zucken. » Nett«, sagt Darren Walker. » Also, wo waren wir?«
» Was macht ihr da?«, fragt Chloe und zieht zur Betonung die Nase hoch.
» Geht dich nix an«, erklärt Darren und regt sich unter Debbie auf der Bank. Er schiebt seine Hand auf ihren Rücken und versucht, ihren BH zu öffnen; sie schlägt sie fort.
» Es könnte jemand sehen«, sagt sie.
Darren lacht sie aus, ein hässliches Lachen. » Bisschen spät, sich jetzt deswegen den Kopf zu zerbrechen. Und überhaupt, die sind doch sowieso alle am Fluss.« Die meisten Dorfbewohner haben sich zu einem Uferbereich des Evenlode aufgemacht, der einige Kilometer weit weg am Rand der Bahngleise liegt: eine gestrüppbewachsene Flussaue, die sich schrittweise in ein gemeinschaftliches Badeloch verwandelt hat, seit sich die Uferböschung für alles andere als Schafe zum Grasen als untauglich erwiesen hat.
» Nicht alle«, meint Debbie.
» Doch«, erwidert er und wirft ihrer Schwester einen angewiderten Blick zu. Seine Versuche, Debs zu beeindrucken, indem er die Kleine zum Schaukeln bringt und ihr Kaugummi kauft, sind beendet. Sie hat ihren Zweck erfüllt und ist jetzt nur noch lästig. » Wenn du willst, können wir zur Chapman-Scheune rauf«, schlägt er vor.
Debbie wendet sich ab, um
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