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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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Tischplatte gefaltet. Sie fasst mich nicht an, denkt Amber, weil sie weiß, dass ich es nicht ertragen könnte. Ich fühle mich schmutzig, verraten und absolut allein.
    Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber alles, was herauskommt, ist ein leiser Klagelaut.
    » Ach, Amber«, sagt Blessed. » Es tut mir ja so leid. Ich war mir nicht sicher, ob ich dir das zeigen soll.«
    » Nein, nein«, entgegnet sie. » Ich hätte es so oder so rausgefunden. Ich musste das erfahren.«
    » Vor allem musst du hier weg«, erklärt Blessed. » Diese Leute da draußen– das wird dich umbringen. Hast du keinen Platz, wo du hinkönntest?«
    Amber schüttelt den Kopf. Hofft wider alle Vernunft, Blessed würde ihr die eigene Tür öffnen, weiß jedoch, dass dies ausgeschlossen ist. Ich habe keine Freunde, denkt sie. Siebenunddreißig Jahre alt, und die Anzahl an Freunden– echte, mutige, Scheiß-auf-die-andern-Freunde–, die ich habe, beläuft sich buchstäblich auf null Komma null. Ein paar nette Kollegen wie Blessed, gute Menschen, die ihre Mitmenschen nicht gern in Not sehen, aber niemand, der über einen Höflichkeitsanruf hinausginge oder mich vermissen wird, wenn ich tot bin. Keine Freunde, keine Familie. Nach all den Jahren bin ich immer noch allein.
    » Aber die Polizei wird doch sicherlich…«, hakt Blessed nach. » Das kann nicht sein… Es muss doch ein… Sie stockt, während sie die Formulierung abwägt, » …einen sicheren Unterschlupf geben?«
    Wieder schüttelt Amber den Kopf. Kummer überwältigt sie. » Sie haben einen Uniformierten geschickt, der für ein paar Tage an der Tür stehen soll, aber hauptsächlich, weildie Nachbarn nicht mehr in ihre Häuser gekommen sind.«
    » Aber Opferschutzprogramme…?«
    » Die sind, wie der Name schon sagt, für die Opfer da. Wie auch immer, ich muss an Ort und Stelle bleiben. Mich für Vernehmungen zur Verfügung halten.«
    Und weil meine Bewährungsauflagen es verlangen. Ich kann nicht einfach gehen– das müsste ich amtlich eintragen lassen. Und es ist Monat für Monat dasselbe, wenn ich da anrufe: Der Beamte, mit dem ich zuletzt zu tun hatte, ist weg– es gehört zur Abteilungspolitik, dass sie ständig wechseln–, und die Nachfolger haben keine Ahnung, wer ich bin, bis sie meine Akte hervorgekramt haben. Ich höre, wie ihre Stimme sich verändert, wenn es ihnen klar wird, und dann wissen sie nicht, was sie tun sollen, und müssen mich zurückrufen. In den Augen der Welt mag ich vielleicht noch hohe Priorität haben, aber im System bin ich schon vor Jahren verschollen. Selbst wenn ich es versuchte, würde vor nächster Woche um diese Zeit nichts passieren. Leute wie ich bleiben, wo sie sind, weil sie kaum eine Wahl haben. Bewährung ist nicht dazu da, einem zu helfen, wenn man in Schwierigkeiten ist. Sondern um einen zu bestrafen, wenn man diese Schwierigkeiten selbst verschuldet hat. Lebenslanger Straferlass: Dabei geht es nicht um Unterstützung, sondern darum, einen im Auge zu haben.
    Erneut schaut Blessed bestürzt. » Für Vernehmungen?« Amber kann förmlich sehen, wie der Gedanke in ihrem Hinterkopf Form annimmt. Dann platzt sie damit heraus: » Die glauben doch wohl nicht, das du… Dass du irgendwie darin verwickelt warst?«
    Und du fragst dich das jetzt auch, denkt Amber. Vorher warst du auf meiner Seite, ganz die gerechte Entrüstung, aber jetzt schwebt eine Wolke des Verdachts über mir, sogar bei dir. Sie spürt, wie Gleichgültigkeit in ihr aufsteigt. Der alte, bewährte Bewältigungsmechanismus.
    » Nein«, sagt sie. » Und, Blessed: nein, war ich nicht.« Sie stößt sich vom Tisch ab, geht zur Spüle und fängt an abzuwaschen. Auf dem Ablaufbrett stapelt sich das Geschirr. Keine Ahnung, woher es kommt, schießt es ihr durch den Kopf. Ich kann mich nicht entsinnen, gegessen zu haben.
    » Nein! So hab ich es überhaupt nicht gemeint. Nein, ich…«, stammelt Blessed.
    » Mach dir keine Gedanken, Blessed«, sagt sie. » Das ist nur natürlich. Ich habe ja schließlich mit dem Mann zusammengelebt. Nach allem, was du weißt, könnte ich ja Rose West sein.«
    » Nein«, protestiert Blessed. » Das habe ich nicht gedacht.«
    » Jeder denkt es«, gibt Amber zurück, und ihr kommen wieder die Tränen. Eher Tränen der Wut als der Traurigkeit.
    Ihr Telefon klingelt. Sie hält sich an der Kante der Spüle fest, während sie um Fassung ringt, und ignoriert es.
    » Gehst du nicht dran?«, fragt Blessed.
    Sie schüttelt den Kopf. » Wird bloß wieder ein Journalist

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