Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
Ausmaß ihrer, Jades, Herkunft entdeckte. Sie hat noch nicht begriffen, dass ihre kurze Freundschaft schon vorüber ist. » Sie wird mich umbringen«, endet sie lahm. » Schau mich an.«
» Komm schon«, sagt Bel. » Das kriegen wir sauber.«
Sie nehmen für den Rückweg den Schafspfad zum Fluss. Die Wiese ist gelb gesprenkelt mit Inseln von Löwenzahn und Jakobskraut. Sie schweigen jetzt und wagen sich nicht anzusehen. Ihre abscheuliche Aufgabe hat das Geplapper vom Anfang verstummen lassen. Die einzigen Worte, die sie finden können, sind praktisch, kurz angebunden. Sie klettern die Uferböschung zum Wasser hinunter. Es erschien ihnen tiefer, als sie sich, um festen Stand kämpfend, hindurchgequält haben, ist jedoch tief genug, um ihnen bis an die Oberschenkel zu reichen, und es fließt klar dahin; der Schlamm, den sie aufgewirbelt haben, hat sich wieder gesetzt. Keine von ihnen erwähnt, was sie tun, aber jedes der Mädchen schaut sich verstohlen nach Chloes Blut um, nach irgendwelchen Anzeichen für das, was sich hier abgespielt hat.
» Komm«, sagt Bel wieder. Sie streift ihr Oberteil ab, dann ihre Jeans und versenkt beides im Wasser. Jade zögert. » Los, Jade«, drängt sie.
» Dann wird ja alles nass«, meint Jade skeptisch.
» Wir wringen es aus. Außerdem ist es doch noch warm. Das trocknet in Nullkommanichts. Und überhaupt, wir können ja sagen, wir wären in den Fluss gefallen. Kein Mensch weiß, wo wir den ganzen Tag waren. Auf, mach schon!«
Jade zieht ihr Oberteil und den Rock aus. Ihre Knie sind ganz grün vom Wald. Widerstrebend watet sie ins Wasser und steht da, trotz der Hitze zitternd, und presst ihre Kleider an die Brust. Bel nimmt sie ihr weg und wirft sie ins Wasser. » Schrubb«, befiehlt sie. » Los, fang einfach an.«
Bel lässt sich auf die Knie sinken, das Wasser reicht ihr bis zum Brustkasten, und reibt sich energisch den Dreck von Armen und Schultern, den Schweiß aus den Achselhöhlen. Tunkt den Kopf unter und taucht wieder auf, von ihrem Gesicht tropft und rinnt der Schmutz. Sie gibt Jade ein Zeichen, es ebenso zu machen.
Ich kann nicht, denkt Jade. Das ist, wo sie … Wo ihr Gesicht …
» Ich kann nicht schwimmen«, sagt sie.
» Musst du auch nicht. Komm schon.«
Bel macht plötzlich einen Satz nach vorn und packt sie am Arm. Starrt ihr streng in die Augen. » Jade, werd jetzt bloß nicht empfindlich. Wenn du das nicht machst, wenn du so, wie du aussiehst, heimgehst …«
Sie vermeidet es, den Satz zu beenden. Muss sie auch nicht. Sie weiß, dass Jade es selbst tut. Sie würden es wissen. Es erkennen. Schon distanzieren sie sich von dem, was sie getan haben. Versuchen, die Maßnahmen, die sie gerade ergreifen, von dem Grund zu trennen, der sie erforderlich macht.
Jade kniet sich hin und taucht ins Wasser ein wie ein Baptist.
Unter der Oberfläche öffnet sie die Augen, sieht, dass das Wasser wieder trüb ist von aufgewirbeltem Schlamm. Es ist dunkel hier unten. Still. Das hat sie gesehen, denkt sie. So waren sie, ihre letzten Momente.
Chloes Gesicht rückt durch die Dunkelheit drohend in ihr Blickfeld. Panisch weicht sie zurück, kämpft sich nach oben und schießt an die Wasseroberfläche. Sie stolpert zur Böschung rüber. Halb kriechend, halb laufend klettert sie bis ganz nach oben. Dort bleibt sie zitternd in ihrer Unterhose stehen.
Sie erreichen das Tor. Alle beide tropfen, ihnen ist klamm in ihren feuchten Kleidern.
» Wir teilen uns auf«, sagt Bel.
Sie ist viel ruhiger als ich, denkt Jade. Scheint zu wissen, was zu tun ist. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich schon längst jede Menge Fehler gemacht. Alle wüssten es schon. Dass ich es war.
» Ich geh durch den Ort zurück«, sagt Bel. » Zu mir. Sie können nicht wissen, dass wir zusammen waren. Verstehst du?«
Jade schluckt und nickt. » Ja.«
» Sie dürfen nicht erfahren, dass wir zusammen gewesen sind, niemals«, sagt Bel. » Das ist dir doch klar, oder? Wir dürfen uns nicht mehr sehen. Und wenn wir uns begegnen, tun wir einfach so, als würden wir uns nicht kennen. Okay?«
» Ja«, sagt Jade.
» Verstehst du?«, fragt Bel noch einmal. » Niemals. Kapiert?«
Jade nickt wieder. » Ja. Ich verstehe.«
» Gut«, sagt Bel.
Sie dreht sich um und geht über die Wiesen auf den Westrand des Ortes zu. Die Sonne geht langsam unter, und Bel wirft einen langen Schatten.
KAPITEL 6
Stan hat sich gegen Ende der Pressekonferenz schon eine Zigarette gedreht und steckt sie sich an, als sie den Park
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