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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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kriecht ebenfalls durch das Loch und steht auf. Dieser Nachmittag scheint kein Ende zu nehmen.

KAPITEL 23
    Schon vor Jahren hat Kirsty gelernt, dass Arbeit ein großartiger Trost ist. Tatsächlich war es Chris, ihr Beratungslehrer in Exmouth, der sie darauf brachte. Ein ganzes Jahr lang hatte sie das Gefühl, ein Wespennest im Kopf zu haben: Ständig wiederkehrende Bilder und Gedanken blockten alles andere ab. Man kam schnell dahinter, dass sie kaum lesen und schreiben konnte und ihre bisherige Schulzeit durch die Voreingenommenheit der Lehrer verschwendet gewesen war. Mit ihren elf Jahren hatte sie nie gelernt, sich zu konzentrieren. Und jetzt stürmten, wann immer sie es versuchte, Bilder von Chloe auf sie ein, von ihrer Mutter, ihren Brüdern, dem Menschenauflauf vor dem Gerichtsgebäude; sie war wütend und verzweifelt und oft den Tränen nah.
    Dann verbrachte sie eines Tages eine ganze Stunde damit, zusammen mit Chris langsam ein Kapitel aus James Herberts Horrorthriller » Die Ratten« zu lesen– eine verrückte, unkonventionelle Wahl für einen Lehrer. Doch in dieser Stunde rückte die Gefahr eines anderen in den Vordergrund ihres Denkens. Sie wollte weiterlesen und erfahren, was als Nächstes passierte. Und lernte so durch die plastischen Beschreibungen von Menschen, die bei lebendigem Leibe angenagt werden, die tröstende Wirkung des Lesens kennen und durch diese allmählich auch den Trost des Lernens, dann den des Schreibens und schließlich auch den, Fragen zu stellen und Antworten darauf zu bekommen und etwas aus diesen Antworten zu machen. Eines Tages entdeckte sie, dass sie zu einer Erfolgsgeschichte geworden war– zu dem Kind, das gerettet worden war. Und das hat sie nie vergessen.
    Nachdem sie Bel in dem Café zurückgelassen hatte, blieben ihr noch zwei Stunden, an ihrem Artikel zu feilen, und wie immer war der unerbittliche Abgabedruck die Droge, die sie bei der Stange hielt. Es ist jeden Tag dasselbe: um elf der Anruf nach der Morgenkonferenz, die Paniksekunde, wenn ihr der Umfang des bevorstehenden Auftrags klar wird, die eiligen Bemühungen, so viel wie menschenmöglich in Erfahrung zu bringen, um es anschließend in eine durchdachte, zugespitzte und handwerklich solide Story zu verwandeln, der Rausch des Verdammt-bin-ich-gut!, der sie jedes Mal wieder überraschend erfasst, wenn sie auf Senden klickt und ihre Worte durch den Äther fliegen, um irgendwann bei fremden Menschen auf dem Frühstückstisch zu landen. Da bleibt keine Zeit, an etwas anderes zu denken.
    Wie immer hält sie auch heute Abend ihre Deadline ein. Sie schickt ihren Text an den Lokalteil der heutigen Ausgabe, morgen und übermorgen wird sie es ebenfalls tun, und für die Sonntagsausgabe soll sie noch ein Feature schreiben. Die Leute lieben schlüpfrige Details, meint ihr Redakteur, und die Verkaufszahlen der Trib geben ihm recht.
    Nach den drei Minuten, in denen sie sendet, anruft, dass sie gesendet hat, und die Viertelliterflasche Soave aus ihrer Minibar öffnet, ist sie in Tränen aufgelöst. Wie gelähmt sitzt sie auf der orangefarbenen Baumwoll-Tagesdecke und lässt sie einfach laufen, den Mund geöffnet, als wolle sie sie auffangen, während sie ihr über die Wangen rinnen. Sie wünschte, sich nie auf ein Treffen mit Amber eingelassen zu haben. Sie konnte die Vergangenheit ertragen, weil sie sie immer ausgeblendet hat. Kirsty schafft es, oft tage-, manchmal sogar wochenlang nicht daran zu denken. Durch die Konzentration auf das Jetzt und auf die Zukunft hatte sie mit ihrer Vergangenheit abzuschließen gehofft.
    Sie wünschte, sie hätte mehr Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Eine Million Fragen schwirren ihr jetzt im Kopf herum, nachdem sie kein Gegenüber mehr hat, das sie damit bestürmen könnte. In vielerlei Hinsicht ist dieser Tag damals eher wie ein Film, den sie einmal gesehen hat, und nicht wie ein Drama, an dem sie selbst aktiv beteiligt war. Er scheint so weit weg, so ohne jeden Bezug zu der Person, für die sie sich hält, dass er, obwohl er oft in ihrem Kopf abläuft, so unwirklich ist wie die Technicolor-Welt eines Kinofilms.
    Sie fragt sich, ob Amber es ebenfalls so empfindet, oder ob ihr diese furchtbaren Ereignisse immer noch diese üblen, Schwindel erregenden Panikattacken bescheren, die Kirsty gelegentlich aus dem Schlaf reißen, wenn sie sich einmal nicht in der Gewalt hat. Sie möchte wissen, wie Amber es verkraftet, Tag für Tag die Menschen zu belügen, die sie am meisten liebt. Aber vor allem

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