Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
sanft von sich. » Und welches gehört jetzt Miranda?«, fragt sie, obwohl beide so aussehen, als hätten sie ein Stockmaß von mindestens einem Meter sechzig.
» Keines. Trigger gehört Michael und Missy Lucinda. Sie sind gerade erst hereingeholt worden, um für die Jagd in Form gebracht zu werden. Mirandas Pony steht unten auf der Weide.«
» Mhm«, meint Jade. » Ihr reitet aber besser nicht übers Land von meinem Dad. Der macht Kleinholz aus euch.«
» Ich glaube nicht, dass irgendwer Lust hätte, auf dem Land deines Vaters zu jagen. Bei all der Schweinescheiße da, würden die Hunde ja die Witterung verlieren.«
Sie wirft Jade einen Blick von der Seite zu, um zu sehen, wie sie darauf reagiert. Sie testet aus, wie weit sie mit ihren Sticheleien gehen kann. » Das kannst du laut sagen!«, lacht Jade. » Und der Stacheldrahtzaun wird ihnen wahrscheinlich auch nicht behagen. Aber wo ist denn jetzt dieses Apartment?«
» Da drüben.« Bel geht voran auf eine säuberlich weiß gestrichene Tür aus Nut- und Federbrettern neben der Scheune zu, die genau die gleichen gewundenen dunklen Eisenbeschläge zieren wie alle anderen Türen der Anlage. » Ihr Auto ist nicht da«, stellt sie fest. » Sie hätte es nicht in die Scheune gestellt, das macht sie nie, wenn Michael und Lucinda weg sind.«
Sie läutet, und sie treten einen Schritt zurück, als der Klingelton die Treppe heraufschallt. Nichts regt sich. Irgendwo draußen in den Kornfeldern, fliegt eine Lerche auf und schraubt sich in den stahlblauen Himmel.
» Mist«, sagt Bel.
» Was denn? Ist sie weggegangen?«
» Weiß nicht. Sieht so aus.«
» Ich bin am Verhungern«, sagt Jade.
» Ja, tut mir leid. Ich auch.«
» Gibt’s nicht irgendwo einen Schlüssel?«
Bel mustert sie kritisch.
» Na los«, meint Jade. » Ich werde schon nicht bei euch einbrechen.«
» Du musst es versprechen«, verlangt Bel.
» Meinetwegen«, erwidert Jade beleidigt. » Ich kann auch heimgehen, wenn du willst.«
» Nein«, sagt Bel hastig. » Nein, tu das nicht. Ich hab’s nicht so gemeint … Es ist nur, weißt du, wenn irgendwer erfährt, dass ich drin war, dann stecke ich total in der Klemme.«
» Klemme?«, fragt Jade. » Klemme?«
» Halt den Mund. Dann komm eben. Aber wenn irgendetwas passiert, werde ich es verraten. Ganz egal, welche Schwierigkeiten ich dadurch bekomme.«
Bel öffnet die Scheunentür und führt sie hinein. Trotz des düsteren Lichts sieht Jade, dass hier ebenfalls makellose Sauberkeit herrscht: Ein paar schnittige, chromglänzende Autos, die rost- und schmutzfrei schimmern, stehen so akkurat nebeneinander aufgereiht, als hätte man die Linie mit dem Lineal gezogen. Wände und Dachbalken sind geweißt und frei von Spinngeweben. Nicht ein Tropfen Öl oder Reifenspuren beschmutzen den gefegten goldgelben Betonboden.
» Heiliger Strohsack«, entfährt es Jade. » Wie viele Autos hat er denn?«
» Zehn«, antwortet Bel. » Michael ist Sammler.«
» Und die funktionieren alle?«, erkundigt sich Jade, an die Sammlung ihres Vaters denkend.
» Ich glaube schon. Er fährt nicht damit. Außer bei irgendwelchen Autoschauen. Aber dorthin schafft er sie auch bloß auf einem Transporter. Der Range Rover steht am Flughafen. Und ach so, Rominas Auto ist wirklich weg. Ihr Parkplatz ist da drüben.« Sie deutet in eine dunkle Ecke.
» Himmel, die muss ja schuften.«
» Wie?«
» Um das Ganze hier sauber zu halten.«
» Red keinen Quatsch«, sagt Bel. » Romina ist das Kindermädchen. Um den ganzen Haushalt kümmern sich Ramón und Delicious.«
» Delicious?« Jade fängt an zu lachen. » Was ist das denn für ein Name?«
» Ein philippinischer«, erwidert Bel überheblich. » Die haben dort alle solche Namen.«
» Wo ist Philippinien?«
» Die. Die Philippinen. In der Nähe von Hongkong. Da hat Michael sie aufgegabelt. Er hat mal in Hongkong gelebt. Und dort gearbeitet.«
Jade zuckt die Achseln. Hongkong sagt ihr nicht mehr als Frankreich: Beides ist, so viel weiß sie, Ausland, aber sie ist bloß zweimal bis Oxford gekommen. London ist ihr genauso unbekannt und fremd wie die Länder, die Bel gerade erwähnt hat, und interessiert sie auch nicht. » Na schön, warum kannst du sie nicht dazu bringen, dich reinzulassen?«
» Sie sind heimgefahren. Auf Urlaub, solange das Haus unbewohnt ist.«
» Ist es doch gar nicht!«
» Du weißt schon, was ich meine«, sagt Bel und geht zu einem Turm aus Autoreifen hinüber, die, sauber und unbeschädigt, als hätten sie
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