Im Schatten Der Wälder: Roman
durch das Fenster nach. Sie machte lange, athletische Schritte, bewegte sich mit leichter Grazie. Als sie ins Atelier gekommen war, hatte sie verloren gewirkt. Zögernd. Unsicher. Müde.
Jetzt nicht mehr, dachte er, als sie in ihren Wagen stieg. Jetzt waren ihre Bewegungen energiegeladen und schnell. Vielleicht war sie sogar ein bisschen sauer.
Das war besser so. Er mochte ja ein seltsamer Vogel sein, aber nun machte er sich weniger Sorgen um sie.
Zufrieden setzte er seine Kopfhörer wieder auf, danach seine Schutzbrille und schaltete die Musik ein. Dann machte er sich erneut an die Arbeit.
Mit leuchtenden Augen lehnte Sylvia an der Theke ihres hübschen kleinen Ladens, während Fiona sich Ohrringe aussuchte. »Das hat er nicht gesagt.«
»Doch, wörtlich.« Fiona hielt lange, tropfenförmige Perlohrringe an ein Ohr, auffällige bunte Glaskugeln an das andere. »Ich bin nicht elegant genug für seinen blöden Schrank. Ich kann aber elegant sein.« Sie drehte sich zu Sylvia um. »Siehst du? Perlen?«
»Sehr hübsch. Aber die Glaskugeln passen besser zu dir.«
»Ja, aber ich könnte die Perlen tragen, wenn ich wollte.« Sie legte sie wieder in die Vitrine zurück und trat an eine große Raku-Vase. Bei Sylvia gab es immer etwas Neues zu entdecken. Ein Gemälde, ein Schal, ein Tisch, eine Schatztruhe voller Schmuck. Sie blieb bei einer Bank mit hohen, geschwungenen Seiten stehen und fuhr mit den Fingern über das Holz.
»Die ist schön.«
»Simon hat sie gemacht.«
Fiona zog ihre Hand zurück. »Das hätte ich mir denken können. Dann sagte er, ich sei nicht sein Typ. Als ob ich ihn danach gefragt hätte. Du bist sein Typ.«
»Ach ja?«
»Er hat dich als Beispiel genannt. Kunstsinnig und mit weiblichen Formen.«
»Wirklich?«
»Jetzt mach schon ein triumphierendes Gesicht!«
Sylvia fuhr sich gespielt geziert durch die Haare. »Ja, es fällt mir schwer, nicht geschmeichelt zu sein.«
»Du kannst ihn gerne haben.« Fiona machte eine abschätzige Handbewegung.
»Er mag ja interessant sein, aber ich belasse es lieber bei dem triumphierenden Gesichtsausdruck. Er wollte dich bestimmt nicht beleidigen.«
»O doch, das wollte er.«
»Weißt du was? Ich schließe in zehn Minuten. Wir gehen essen und tratschen über ihn. Oder besser noch, über Männer im Allgemeinen.«
»Das klingt gut, aber ich muss nach Hause. Ich bin wirklich nur hierhergekommen, um es dir zu erzählen. Himmel, Syl, die letzten beiden Tage waren scheußlich.«
Sylvia kam hinter ihrer Theke hervor, um Fiona zu umarmen. »Soll ich zu dir kommen und dir Nudeln kochen, während du ein schönes, langes Bad nimmst?«
»Ehrlich gesagt ist es wohl besser, wenn ich mir eine Dose Suppe öffne und dann ins Bett gehe. Ich habe letzte Nacht nicht besonders gut geschlafen.«
»Ich mache mir Sorgen um dich, Fee.« Sie zupfte an Fionas Pferdeschwanz. »Willst du nicht lieber zu mir ziehen, bis sie diesen Irren gefasst haben?«
»Ich komme schon klar. Schließlich sind meine Jungs bei mir. Außerdem ist der Irre gar nicht an mir interessiert.«
»Aber …« Sylvia brach ab, als die Tür aufging.
»Hi, Sylvia. Hi, Fiona.«
»Jackie, wie geht es dir?« Sylvia lächelte die hübsche Blondine an, die ein Bed&Breakfast führte.
»Mir geht es gut. Ich wollte schon viel früher hier sein, ich weiß ja, dass du gleich schließt.«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Wie geht es Harry?«
»Liegt mit einer Erkältung im Bett – deshalb bin ich auch abgehauen. Ich schwöre euch, man könnte glauben, er hätte mindestens die Pest und nicht nur einen kleinen Schnupfen.
Er macht mich wahnsinnig. Während ich ihn pflege, habe ich zur Ablenkung schon mal einen kleinen Frühjahrsputz gemacht, und dabei habe ich beschlossen, dass ich ein bisschen umdekorieren möchte. Kann ich mich mal umsehen, um auf ein paar neue Ideen zu kommen?«
»Ja, gerne.«
»Ich breche jetzt besser auf. Schön, dich gesehen zu haben, Jackie.«
»Ja, dich auch. Ach, Fiona, mein Junge und seine Frau haben gerade einen Welpen bekommen. Zur Übung, haben sie gesagt, bevor sie mich zur Großmutter machen.« Sie verdrehte die Augen.
»Oh, wie schön. Was haben sie sich denn geholt?«
»Ich weiß nicht. Sie wollten einen Hütehund.« Sie lächelte. »Brad hat gemeint, sie retten erst einmal ein Leben, und dann fangen sie an, neues entstehen zu lassen.«
»Das hört sich gut an.«
»Sie haben sie Sheba genannt – wie die Königin von Saba. Er hat gemeint, wenn ich dich treffe,
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