Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
Organistin.«
Lisa sprang erschrocken auf und machte einen Knicks. »Herr Erzbischof, ich, ich wollte ...«
»Schon gut. Und wer sind Sie?« Ich war aufgestanden und musterte den alten Herrn. Er trug den schlichten schwarzen Anzug eines katholischen Priesters. Nur sein Siegelring verriet ihn als Amtsinhaber. Ich stellte mich vor, und er reichte mir die Hand, die sich weich und kraftlos anfühlte.
»Freut mich, wenn Touristen sich für die Kulturschätze unserer Stadt interessieren.«
Bevor er wieder hinabstieg, streichelte er Lisa übers Haar.
»Sei nicht traurig. Dein Opa wird immer da sein, um dich beim Spielen zu unterstützen. Er lebt in deinem Talent für uns alle weiter.«
Lisa schüttelte die Hand, als habe sie sich verbrannt. »Komm, lass uns gehen. Lädst du mich zu einem Eis ein?«
Wir suchten uns einen Platz im MünsterCafé.
Lisa bestellte einen Maxi-Eisbecher, ohne die Karte eines Blickes zu würdigen. Sie war wohl nicht zum ersten Mal hier. Ich entschloss mich zu einem Cappuccino.
»Einen wunderschönen guten Tag, Signore«, begrüßte mich der Wirt und stellte persönlich das Gewünschte auf den Tisch. »Haben Sie gehört, was diese Geier gemacht haben?«
Ich tat unwissend und schüttelte den Kopf. Er erzählte mir mit südländischem Überschwang, was mir der Kroate schon berichtet hatte.
»Was meinen Sie? Sie sind doch Berater. Was soll ich tun. Die Preise halten, obwohl es schwerfällt, oder anheben?«
Da ich mir dazu schon Gedanken gemacht hatte, fiel mir die Antwort nicht schwer.
»Wenn Sie Ihre Ruhe und eine vernünftige Gewinnspanne behalten wollen, anheben. Sie haben doch als Einziger keinen direkten Wettbewerb, also was soll es.«
Er raffte seine lange Schürze zur Seite und setzte sich zu uns.
»Ich bin noch nicht so lange hier«, erklärte er. »Und Enrico, der das Café vor mir gehabt hat,konnte auch gut wirtschaften, und trotzdem hat er es nicht geschafft. Die kleine Lisa weiß das, nicht wahr, Bambina?«
Lisa nickte. Ich fragte mich, was Lisa mit der ganzen Sache zu tun hatte, aber bevor ich eine entsprechende Frage stellen konnte, sprach der Wirt auch schon weiter.
»Und da ist noch das Café Hofmann, Signore. Ich glaube nicht, dass die auch die Preise anheben werden. Das gehört der Signora. Das könnte schon Probleme für mich geben.«
Mir kam eine Idee.
»Giacco, so heißen Sie, glaube ich. Wer von uns beiden hat den größeren Charme? Sie oder ich?«
Er schaute etwas irritiert. »Ohne Sie beleidigen zu wollen, Signore, ich.«
»Sehr gut. Dann wird es für Sie kein Problem sein, die Signora Hofmann davon zu überzeugen, dass auch sie in bestimmten Bereichen die Preise anheben sollte. Capisce? «
»Ähm, warum sollte sie das?«
»Wer Eigentum am Münsterplatz hat, ist ein cleverer Geschäftsmann. Darum.«
Giacco überlegte einen Moment. »Sie sind ein Genie. Die Kleine bekommt noch einen Maxi-Eisbecher und Sie einen Café Amaretto. Geht alles aufs Haus.«
Laut schnatternd gab er die Bestellung auf und rannte davon.
Lisa schaute mich über den Rand des Bechers an, aus dem die letzten Reste laut gurgelnd durch den Strohhalm in ihr verschwanden.
»Gibt’s jetzt noch so einen?«
»Sieht so aus.«
»Cool ... können wir auch mal Otto mit hierher nehmen?«
Obwohl sich da äußerste Bedenken in mir meldeten, sagte ich: »Fragen wir ihn einfach, wenn er wieder da ist.«
Während Lisa sich mit der zweiten Eisbombe beschäftigte, hing ich meinen Gedanken nach.
Eine so schöne Stadt, ein so schöner Platz, und doch nichts als Unfrieden, der es noch nicht einmal mehr schaffte, es hinter den Fassaden zu halten. Oder sollte es jeder sehen? Wer trieb bloß dieses perfide Spiel hinter allem und allen?
Aber das war nicht mein Problem. Wenn es etwas zu berichten geben würde, sollte sich die lokale Presse darum kümmern.
Obwohl das Verhalten der Staatsanwaltschaft dagegensprach, hatte ich mich entschlossen, den Tod des Professors zu meiner Story zu machen. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ahnte,war, dassi ch einem gravierenden Gedankenfehler aufsaß. Einem Fehler, weil ich versuchte, logisch an die Sache heranzugehen, und nicht auf meinen Instinkt hörte.
Das Gurgeln des Strohhalms brachte mich in den Tag zurück. Lisa lehnte sich zurück und hielt sich den Bauch.
»Puh. Ich kann nicht mehr«, stöhnte sie.
»Schade. Ich wollte dir gerade noch ein Stück Kuchen im Café Hofmann spendieren.«
»Nein, danke. Können wir das auf morgen verschieben? Ich
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