Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
verschwinden zu lassen, wie es bei Simonte nötig wäre«, gab Gerster zu bedenken.
Da war ich mir eben nicht sicher. Wenn die Vorfahren der Nicht-Comtessa zu einemZ weig der Este gehörten, dann ergab es schon einen Sinn, dass man die Originaldokumente für den Beweis einer adligen Abstammung benötigte.
Mir musste etwas einfallen, um den Unbekannten aus der Reserve zu locken. Sonst wusste ich keinen Rat mehr, wo ich noch ansetzen sollte.
18
Gerster war nicht begeistert, die Unterlagen noch eine Weile in seinem Keller zu behalten. Aber bei ihm waren sie sicherer als bei mir.
Bei der Rückfahrt stimmte der Lauf der Moldau wieder, abwärts. Auch bei Gersters Fahrweise war der Wellengang spürbar.
Bevor er mich vor dem Altstadtlokal absetzte, beschwor ich ihn, von jetzt ab mit niemandem mehr über die Angelegenheit zu reden. Auch nicht mit Pater Lutz.
»Der ist doch mein Beichtvater und einziger Vertrauter«, versuchte er einen schwachen Protest.
»Eben«, ließ ich ihn zurück.
Die Sache drohte sich zu verselbstständigen, wenn weiter von mir nicht kontrollierte Informationen kursierten. Und Gerster war so weit, seit er die Verantwortung auf mich abgewälzt hatte, sich seine Anspannung bei jedem, der es hören oder nicht hören wollte, von der Seele zu reden.
Wenn man sich auf etwas verlassen konnte, dann war es der Durst von Journalisten. Meine Ortskollegen waren da, wo ich sie erhofft hatte. An der Bar.
Lisas Vater war mir zu oft erwähnt worden, als dass er nicht meine Aufmerksamkeit erregt hätte. Was hatte es mit diesem Mann auf sich, und warum hatte Dr. Simonte »Gerda« und »Enrico« vertraulich mit ihren Vornamen bezeichnet?
Es wurde noch nicht einmal sehr teuer für mich, die gesuchten, allerdings reichlich mit Vermutungen gewürzten Informationen zu erhalten.
Es war fast Mitternacht, als ich die Wohnung erreichte.
»Gott sei Dank«, empfing mich Gerda. »Ich dachte schon ...«
» ... dass mich Simonte gefressen hat, so wie Enrico?«
»Was hat dieser Mistkerl über Enrico erzählt?«, fuhr sie mich wie eine Raubkatze an.
Ich winkte müde ab. »Auf jeden Fall erfahre ich von anderen mehr als von dir. Hier belügt mich doch jeder ...«
»Hallo, nicht einschlafen«, wurde ich gerüttelt. »Sag mir erst, was du über Enrico erfahren hast.«
»Morgen ...«, wehrte ich ab, dann stülpten Alkohol und Schlaf den Mantel des Schweigens über mich.
»Wie kann ein Mensch nur so schnarchen? Und im Schlaf geredet hast du auch.«
Gerda weckte mich mit dem Geklapper von Kaffeegeschirr.
»Guten Morgen. Du warst nicht mehr vom Sofa zu bewegen. Dann habe ich dich liegen lassen. Warst sicher noch mit diesem Gerster zusammen, du stinkst nach seinem Fusel«, plapperte sie auf mich ein, bevor ich die Augen aufmachte.
»Wenn ich im Schlaf geredet habe, dann brauche ich wohl keine Fragen mehr zu beantworten«, murrte ich über die Art, wie sie mit mir Morgenmuffel verfuhr.
»Sorry, war nicht so gemeint. Geh dich erst mal wachkriegen.«
Nach einem betont wortlosen Frühstück, bei dem jeder versuchte dem Blick des anderen auszuweichen, aber darauf hoffte, dass dieser die nonverbale Eiszeit durchbrach, begann ich meinen Koffer zu packen.
»Wo willst du hin?«, fragte sie mit betont weicher Stimme.
»Nach Hause. Ich geb es dran. Jeder hier sagt mir jedes Mal was anderes. Erst kennt Gerster deinen Vater nicht, dann bewahrt er seine Unterlagen auf und klaut sich den Rest zusammen. Dann kennst du Dr. Simonte nicht mit Namen, er duzt dich aber, dein Mann ist nicht dein Mann und auch nicht tot, die Comtessa ist gar keine, fehlt bloß noch, dass dieser Advokat ein Enkel von irgendeinem Papst ist. Ach was, ihr könnt mich alle mal!«
Sie klappte den halbfertig gepackten Koffer zu und setzte sich mit dem süßesten Lächeln darauf.
»Komm, setz dich zu mir. Ich erzähl dir was über Enrico. Will gar nicht wissen, was Simonte dir gesagt hat. Der lügt, wenn er das Maul aufmacht.«
Als ich zögerte, rutschte sie vom Koffer auf die Bettkante.
»Sei nicht so misstrauisch. Ich werde es dir beweisen.«
»Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit?«
Sie hob die Hand zum Schwur.
»Du musst sehr überzeugend sein, wenn ich noch jemandem glauben soll«, grummelte ich und zog einen Stuhl heran.
»Enrico ist der typische Lebemann. Charmant, witzig, intelligent. Aber auch sehr leichtsinnig.«
Es folgten weitere positive Attribute und ein Foto von ihm, zusammen mit ihr und Lisa.
»Enrico ist der Schwager von Dr.
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