Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
Schwerverletzten und ein Suizid. Wer blieb da noch übrig, außer mir und ...?
»Immer noch auf der Jagd?«
Frau Hofmann stand hinter mir. Sie hatte mich beim Lesen beobachtet.
»Ich weiß nicht, was hier los ist«, ließ sie sich mir gegenüber nieder. »Jetzt haben auch die nicht betroffenen Lokale und Geschäfte die Steuerfahndung am Hals. Ich bleibe dabei, da steckt eine Investorengruppe hinter, die zusammen mit der Kirche den Münsterplatz umkrempeln will.«
Ich schüttelte den Kopf. »Was sollte die Kirche davon haben?«
Sie zog die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel herunter. »Na, weit sind Sie mit Ihren Recherchen aber nicht gekommen. Außer meinem Haus, der Bank, dem Feinkostgeschäft und dem Stadtarchiv gehört alles der Kirche. Das ist doch klar. Da können die so viele Gesellschaften vorschieben, wie sie wollen. Das weiß ich noch von meinem Großvater, der kurz nach dem ersten Weltkrieg ein Riesentheater hatte, wie mir mal mein Vater erzählte, damit wir nicht von denen enteignet wurden.«
Ich horchte auf. Tat sich da eine neue Informationsquelle auf, an die noch niemand gedacht hatte?
»Haben Sie über diesen Vorgang – ich meine dieses ›Riesentheater‹ – noch Unterlagen?«
Sie zündete sich, wieder in der Nichtraucherzone, ein Zigarillo an und schien im Geist nach den Akten zu suchen.
»Sicher bin ich mir nicht. Der Platz hat im letzten Krieg eine Menge abbekommen. Dieses Haus hat auch in Flammen gestanden. Vielleicht ist noch etwas im Keller bei mir zu Hause. Der sollte sowieso mal entrümpelt werden. Aber machen Sie sich besser keine Hoffnung. Von jetzt auf gleich werde ich da nichts finden ... wenn überhaupt ... Wozu brauchen Sie das denn?«
»Darf ich Ihnen das bei einem guten Cognac erklären?« Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf und suchte ihre Hand.
Sie warf einen schnellen Blick durch das Café. »Man wird mich ein paar Minuten nicht vermissen. Kommen Sie, oben habe ich den guten.«
Wir stiegen am Büro vorbei in den nächsten Stock. Der Raum erstreckte sich fast über die gesamte Grundfläche und war gemütlich mit Sesseln und Sofas eingerichtet.
»Nehmen Sie doch dort Platz«, wies sie mir eine Liege an und goss zwei Doppelte ein.
»Sind Sie verheiratet?« Als ich verneinte, war es zu spät.
Es folgte eine kurze Erklärung, die sich wie einege schäftliche Abmachung anhörte, dass sie auch nicht verehelicht sei, aber dennoch die Bedürfnisse einer Frau habe. Eine Hand wäscht die andere.
Die Befriedigung ihrer Bedürfnisse schien schon eine Weile her zu sein, und ich lernte, dass auch ein Mann vergewaltigt werden konnte.
»So«, stellte sie zufrieden fest, nachdem sie sich wieder im Spiegel zurechtgerückt hatte, »jetzt haben Sie sich das Recht auf die Unterlagen verdient. Den Rest ersparen Sie mir bitte. Will ich gar nicht wissen. Machen Sie sich frisch, oder ruhen Sie sich noch etwas aus. Ich muss mich wieder ums Geschäft kümmern.«
Einen Augenblick überlegte ich, ob mir so etwas schon in meinem Leben vorgekommen war und wo der Unterschied zwischen einer jungen und älteren Liebhaberin war.
Auf beides fand ich keine Antwort. Nur, dass ab einem bestimmten Alter zwei am Tag eine zu viel waren.
»Halt«, rief mir Frau Hofmann nach, als ich wie ein Zechpreller aus dem Café zu schleichen versuchte. »Sie hatten noch nicht Ihren Kaffee. Tut mir leid. Den hatte ich vor lauter Geschäft völlig vergessen.«
Ehe ich reagieren konnte, hakte sie sich bei mir unter und führte mich zu einem Tischchen, auf dem Kaffee und Kekse angerichtet waren.
»Die müssen Sie probieren. Ist eine neue Kreation. Bin gespannt auf Ihre Meinung.«
Neugierig wie ein Kind nach seinem ersten Backversuch beobachtete sie meine Reaktion.
»Sie sind ein Genießer«, strahlte sie über meine anerkennenden Grimassen. »Wollen Sie mir nicht am Samstag helfen, nach dem alten Zeug zu suchen? Ich bin auch eine gute Köchin, und für mich alleine zu brutzeln macht keinen Spaß.« Sie schob mir einen Zettel hin. »Meine Adresse. Ich erwarte Sie um dreizehn Uhr.«
Für sie schien es selbstverständlich zu sein, dass ich keinen Widerstand leistete, und sie verabschiedete sich, ohne auf eine Bestätigung von mir zu warten.
Das kann ja heiter werden, kicherte mein Kobold. Wie willst du das bitte Gerda erklären?
»Überhaupt nicht«, brummte ich zurück, »bin keinem Rechenschaft schuldig und immer noch Herr über mich.«
Letzteres fing ich allerdings an zu bezweifeln, denn Frau Hofmann
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