Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
der Suche nach dem Goldenen Vlies. Dabei vergaß er nur zu gerne, dass es das Gebot ›Du sollst nicht stehlen‹ gibt.
Pater Lutz ist ein sehr guter Organisator, nur etwas eigen. Aber das hat dieser Orden so an sich.
Gerster hat zusammen mit dem Professor den Kirchenchor geleitet. Und er verwaltet das Stadtarchiv. Sonst ist er eine etwas blasse Figur.
Dieser Enrico ist der jüngere Bruder der Comtessa. Sonst kenne ich ihn nicht näher.
Dr. Simonte ...«, er machte wieder eine Pause. »Ja, Simonte ist seit dem Tod seiner Frau und der Tochter etwas eigenartig geworden.«
»Die sind tot?« Ich hatte das Gefühl, dass der Boden unter mir aufging. Ich war immer stillschweigend davon ausgegangen, dass Simontes Frau und Tochter noch lebten. Anscheinend waren alle anderen ebenso stillschweigend davon ausgegangen, dass sie tot waren – und dass ich das wusste. Das änderte jetzt natürlich alles. »Wann war das?«
»Hm, das muss ungefähr vor zwölf Jahren gewesen sein. Ich lernte seine und ihre Familie vor Jahren inRom kennen. Sie hatte das Geld und er das Talent für eine viel versprechende Zukunft. Es war ein Unfall. Bei einer Segeltour sind Mutter und Kind ertrunken. Simonte, der nicht an Bord war, drehte durch und wurde zu einer Gefahr für sich und seine Umgebung. Mehrere Monate verbrachte er in Behandlung.«
»Verwaltet er kirchliche Güter?«
Der Erzbischof stutzte und schüttelte dann ärgerlich den Kopf. »Fangen Sie mit diesem Blödsinn auch noch an? Wenn etwas unausrottbar ist, dann ist es der Aberglaube. Ein für alle Male: Simonte hat mit der Kirche nicht das Geringste zu tun. Die ehemaligen Liegenschaften hat die Kirche entweder in Stiftungen umgewandelt, oder sie sind im Besitz der jeweiligen Orden, oder sie wurden verkauft. Alles was das Bistum hier noch besitzt, sind der Grund und Boden, auf dem das Münster steht, und ein paar Verwaltungsgebäude.«
»Wenn Simonte nichts mit der Kirche zu tun hat, warum fordert er dann im Namen des Erzbischöflichen Ordinariats Dokumente bei meinem Verlag ein?«
Der Erzbischof zog die Augenbrauen hoch. »Bedaure, davon weiß ich nichts.«
Mein Handy summte. Eine männliche Stimme wollte wissen, mit wem sie verbunden war.
»Wenn Sie nicht wissen, wen Sie anrufen, woher soll ich es dann wissen«, antwortete ich etwas pampig.
»Kommissar Eibel hier. Wir haben diese Nummer auf dem Küchentisch von Frau Gerda Solvay gefunden. Wer sind Sie?«, und da ich nicht gleich antwortete: »Machen Sie kein Theater. Es kostet mich nur einen Anruf, den Inhaber der Nummer zu identifizieren.«
»Was haben Sie in der Wohnung zu suchen?«
»Das möchte ich mit Ihnen persönlich besprechen. Wo kann ich Sie abholen lassen?«
»Gibt es Probleme?«, fragte der Erzbischof, erhob sich und hielt mir seine weiche Hand zum Abschied hin.
Gedankenverloren schüttelte ich den Kopf. »Nein. Das goldene Vlies entwickelt nur sein Eigenleben.«
Ich hatte gerade noch die Möglichkeit, Margot einen kurzen Abriss über das Gespräch und den Anruf zu geben, als zwei Polizisten suchend das Café betraten.
»Ich warte hier«, rief sie mir nach, als mich die Beamten betont unauffällig zum Wagen begleiteten.
Im Kommissariat hatte ich die Prozedur der erkennungsdienstlichen Erfassung über mich ergehen zu lassen, ohne dass ich mehr erfuhr, als dass mir Hauptkommissar Eibel alles erklären würde.
Der empfing mich nach einer Stunde.
»So, so. Journalist sind Sie also. Woher kennen Sie Frau Solvay ...?«
Es folgte Frage auf Frage, die ich wahrheitsgemäß beantwortete.
»Na schön«, lehnte er sich zurück. »Klingt glaubhaft, wenn die Damen Hofmann Ihre Aussagen noch bestätigen. Bleiben Sie bis auf Weiteres in der Stadt zu unserer Verfügung. Ihr Laptop bleibt vorläufig hier. Ihr Handy können Sie wiederhaben.«
Er schob mir das Telefon über den Tisch, das in Höhe des Brieföffners zu summen anfing.
Schneller als ich reagieren konnte, hatte er es am Ohr.
»Ja«, meldete er sich und hörte dem Anrufer zu. »Ja, ist in Ordnung. Wer sind Sie?«
»Soll Ihnen von einem Lutz sagen, dass er einen Otto in Sicherheit gebracht hat. Können Sie was damit anfangen?«
Ich zuckte mit den Schultern, steckte das Handy ein und blieb sitzen.
»Was ist? Sie können gehen«, murrte er.
»Sie haben vergessen, mir zu sagen, warum ich hier bin.«
»Ach. Hat man Ihnen das nicht gesagt?«, tat er gespielt überrascht. »Frau Solvay ist tot aufgefunden worden.«
Irgendwie schien mein Unterbewusstsein damit
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