Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
sich beeilt hatte, die Wünsche zu erfüllen, und der Glimmstängel brannte, stützte sie den Kopf in die linke Hand und führte die Tabakrolle wie einen Zeigestock.
»Also, nachdem du Hühnchen, ohne mich zu informieren, den Interessenten an meinem Café vor den Kopf gestoßen hattest, kam man über den Sparkassendirektor auf mich zu. So weit klar?«
Sie nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
»Nur waren die Forderungen jetzt viel höher, als nur unser bescheidenes Häuschen zu erwerben, denn man wähnte mich auf der Seite des störrischen Simonte, der denen auch schon eine Absage erteilt hatte. Aber auch der Preis, den man bereit war, mir zu zahlen, war höher, wenn ... ja wenn die Preise für die anderen Lokalitäten entsprechend billiger gemacht werden konnten. Wie das geschehen sollte, hat man mir nicht gesagt. Darüber starb der Direktor. Dann kam ich auf die Idee, nicht immer für das Finanzamt zu arbeiten, sondern es mal für mich was tun zu lassen.«
Einen Moment lang schienen sogar die Vögel im Garten die Luft anzuhalten.
»Ich glaube, ich bin im falschen Film«, stöhnte Margot. » Du hast alle beim Finanzamt angeschwärzt? Was soll das für einen Sinn haben? Wenn die auch bei uns was gefunden hätten, dann ...«
Frau Hofmann lächelte und stand schwankend auf. »Solange ich die Bücher führe, findet kein Finanzamt was. Das war schon bei deinem Vater so. Gute Nacht.«
Margot fing die alte Dame noch auf, bevor sie über ihre Füße stolperte, und brachte sie polternd die Treppe hinauf.
»Verstehst du das?«, japste sie nach Luft, als sie sich wieder neben mich setzte.
Das war nicht schwer zu verstehen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, einen zentnerschweren Schlüssel in der Hand zu halten. Den Schlüssel zu einem Teil des Mysteriums.
Die Polizei nahm keine anonymen Anzeigen entgegen. Aber alle Finanzämter der Welt waren auf solche Denunziationen angewiesen. Es war für sie der rechtliche Freibrief, im Sinne des Staates tätig zu werden. Der Erfolg gab ihnen auch am Münsterplatz recht. Frau Hofmann hatte nichts zu befürchten, also konnte sie sich selbst mit anzeigen, um nicht aufzufallen.
»So weit kann ich folgen.« Margot brühte uns Mokka auf. »Aber ich verstehe den Hintergrund nicht.«
Ich fasste, nun zum dritten Mal an diesem Tag, meine Erkenntnisse zusammen.
Der Sparkassendirektor hatte sich mit dem Wissen von Gerster und dem Professor einen Teil der Verwaltungsrechte von Simonte erpresst.
Seine Strategie war einfach und fast als typisch für diese Gewerbe zu betrachten. Simontes verbliebenen Pächtern wurden die Kreditlinien derart gekürzt, dass sie und der Doktor in Schwierigkeiten gerieten, die Pacht ohne Gegenmaßnahmen zu zahlen oder einzutreiben. Im Gegenzug wurde den der Bank zugehörigen Pächtern die Pacht durch Senkung der Nebenkosten vermindert.
Dann wurde der Sparkassendirektor, von wem auch immer, »entsorgt«.
Margots Mutter sah darin die Chance, selbst das Zünglein an der Waage zu spielen. Sie konnte nichts verlieren, nur gewinnen und diesen undurchschaubaren Simonte loswerden, der mit seiner Weigerung den Investor blockierte.
»Die spinnt komplett«, fauchte Margot, »wir haben genug. Muss die auf ihre alten Tage noch Manager werden?«
»Langsam«, dämpfte ich sie. »Mit dir stirbt die Familie aus. Deine Mutter macht ja keinen Hehl daraus, dass sie sich nichts sehnlicher gewünscht hat, als einen Enkel zu bekommen. Jetzt sieht sie die Chance, das Café vermutlich weit über Wert loszubekommen.«
Margot blies die Backen auf und ließ die Luft pfeifend entweichen. »Jetzt bin ich auch noch an allem schuld! Das meinst du doch nicht ernst, oder?«
»Ich fürchte, deine Mutter meint es ernst. Wie du selbst sagst, habt ihr genug Vermögen.«
»Ach ja. Das dumme, unreife Töchterchen ist ja gerade erst vierzig und begeht den Fehler, der allmächtigen Mama nichts vom ersten Angebot dieser Kaugummis zu erzählen. Wisst ihr was? Ihr beiden könnt mich mal. Du solltest ihr Vertrauen gewinnen, nicht einen Angriffspakt gegen mich bilden.«
Sie schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser einen kleinen Hüpfer machten.
»Beruhige dich. So wie es aussieht, wird aus dem ganzen Zirkus nichts. Simonte lässt sich nicht in die Ecke stellen. Er hat den Banker kaltgestellt, und ich bin mir sicher, dass er nicht ohne Grund nach den Dokumenten sucht. Er hat was vor, was momentan nicht ersichtlich ist. Denn er muss die gesamte Verwaltung wieder in die Hand
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