Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
ich ohne Rückendeckung eine »Superstory« zu meiner Rehabilitierung auf die Beine brachte.
»Sie sehen aus, als wenn Sie einen Café Mirabelle gebrauchen könnten«, meinte die alte Dame mit einem kritisch-besorgten Blick.
Geistesabwesend murmelte ich etwas, was sie als Zustimmung auffasste, und sie begann in der Küche mit Geschirr zu klappern.
Dass Simonte nun die als Druckmittel gegen ihn gedachten Schriften kampflos in die Hand bekam, war schon mehr als ärgerlich. Aber unverzeihlich war mein Fehler, ihm zu sagen, dass ich sie an den Verlag geschickt hatte. Und ihn zu unterschätzen.
Großinquisitor ... Schaden von der Kirche fernhalten, hatte mich Pater Lutz gewarnt.
Junge, du schwächelst, kicherte mein Kobold, und: Pater Lutz kennt noch nicht mal deine Handynummer. Wenn er dich informieren will, landet das alles bei Gerda.
Das Pfarramt in Karlsruhe versprach mir, meine Nummer an Pater Lutz weiterzureichen, der heute Morgen abgereist sei. Wohin, konnte oder wollte man mir nicht sagen. Man stehe in Kontakt mit ihm.
»Scheint nicht Ihr Tag zu sein«, schmunzelte Frau Hofmann und löste ein Stück Würfelzucker im flambierten Mirabelle auf, der daraufhin eher wie ein Allerweltsschnaps für Klosterfrauen schmeckte.
Es war wirklich nicht mein Tag.
Die Stationsschwester der Intensivabteilung teilte mir nur kurz angebunden mit, dass Herr Este vor zwei Stunden in eine andere Klinik verlegt worden war. Wohin, könne nur der Oberarzt sagen, und der sei im OP.
»Nein. Das ist nicht mein Tag«, brummte ich wütend. »Heute verselbstständigt sich alles. Selbst ein todkranker Mann verschwindet.«
»Hört sich nicht gut an. Aber so etwas gibt es mal«, versuchte mich Frau Hofmann zu trösten. »Wenn es Sie nicht stört, dass ich zwischendurch einen Zwiebelkuchen backe – es ist nämlich so weit, der neue Wein ist da –, erzählen Sie mir doch einfach, was Sie bedrückt.«
Da mir alle Enden der Story entglitten waren und ich gestehen musste, dass ich nicht mehr weiter wusste, war ich froh, eine Zeitzeugin, wie sich Margot ausgedrückt hatte, als Zuhörerin gefunden zu haben.
Wir probierten bereits das erste Stück warmen Kuchen, bis ich meine Erlebnisse von der ersten Begegnung mit dem Professor bis zu den heutigen Telefonaten nebst meinen Vermutungen erzählt hatte.
»Sie sitzen ganz schön fest mit Ihrer Geschichte.« Sie räumte die Küche auf, war aber nicht bei der Sache. Das Geschirr klapperte lauter, als ich es kannte, und wurde auch nicht so zielsicher an seinen Platz gesetzt. »Seit dieser Dr. Simonte vor etwa sechs Jahren alles an sich gerissen hat, stimmt nichts mehr am Münster. Vorher hat jeder Pächter an irgendwelche Verwaltungen bezahlt. Damit war aber auch Ruhe.«
Sie setzte sich wieder und tippte mit der Fingerkuppe Kuchenkrümel auf, die sie behutsam in einer Serviette abstreifte.
»Ich kenne alle, die Sie genannt haben. Den Professor, den Banker, Gerster, Otto und auch Pater Lutz. Nur aus diesem Simonte bin ich nicht schlau geworden.«
Sie kramte ein Zigarillo aus der Küchenschürze und goss uns einen Mirabelle ein.
»Da mir der Professor fast alles erzählte, wem und wie er gerade mal wieder auf der Spur war, habe ich ihn als Doppelagent gegen Simonte benutzt. Dieses Geld, das diese Gerda in der Orgel gefunden hat, stammte übrigens von mir.«
»Ich hatte gedacht, von Simonte.«
»Simonte hatte Solvay in der Hand. Warum sollte er ihn noch bezahlen?«
Es entstand eine lange Pause, in der sie das Glas zwischen den Handflächen drehte und das Zigarillo wie einen Strohhalm zwischen die Zähne klemmte.
»Gerster ist ein Opportunist«, fuhr sie schließlich fort. »Den kann man abhaken. Simonte spielt ein undurchschaubares Spiel und setzt offensichtlich alles daran, dass es so bleibt. Este hin oder her. Was hat dieser Pater für eine Rolle? Und wozu Otto gebraucht wird, sehe ich überhaupt nicht. Da gibt es nur eines, Sie müssen in die Höhle des Löwen.«
»Und die wäre?«, fragte ich misstrauisch.
»Zum Erzbischof.«
»Verstehe ich nicht«, schüttelte ich den Kopf. »Was soll der Erzbischof in diesem Spiel?«
»Tja, genau das sollten Sie herausfinden. Denn der fehlt bisher in allen Überlegungen.«
Dieser Gedanke gefiel mir nicht, da er die ganze Situation noch undurchschaubarer machte.
»Wie soll ich an den herankommen? Mit Audienzen ist er sehr sparsam.«
Als hätte ich einen gelungenen Witz erzählt, lachte Frau Hofmann das erste Mal herzlich.
»Der kommt zu Ihnen,
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