Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters
seinem Tod wie verhext. Wenn das so weitergeht, gibt es bald nur noch das Café Hofmann.«
Er wusste etwas, was mir anscheinend entgangen war. Im Geist ging ich die Lokalitäten am Platz ab, aber mir war vorhin nichts aufgefallen.
»Diese anonyme Anzeige beim Finanzamt bricht nahezu allen Lokalen das Genick. Finanziell meine ich natürlich. Bei jedem sind Nachzahlungen und Strafen zu erwarten, die vorhandene Sicherheiten in keinem Fall abdecken werden. Die strafrechtlichen Folgen sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Da steckt System hinter. Und das hoffe ich mit Ihrer Hilfe zu finden.«
Vorsicht, zischte mein Kobold, das kann dich deine Story kosten. Überlege dir gut, was du sagst!
»Ich verstehe, wenn Sie als Journalist andere Interessen verfolgen. Aber der Messner – oder Küster, wie man bei euch sagt – und eine Frau Gerster sagten aus, dass Sie wie ein Teufel hinter irgendwelchen Unterlagen her sind. Also darf ich, momentan noch ganz privat, um eine Erklärung bitten?«
Sein Ton war um eine Nuance schärfer und fordernder geworden, und die Pfeife war endgültig ausgegangen.
»Was ist mit der Tochter von Frau Solvay?«, versuchte ich mir etwas Zeit zu verschaffen.
Die Pfeife wurde lautstark im Aschenbecher ausgeklopft. Ein fast angewidertes Lächeln huschte über sein zerfurchtes Gesicht.
»Na gut. Wenn es Ihnen hilft, mir mehr zu sagen. Es läuft schon seit Jahren ein ziemlich schmutziger Krieg um das Kind. Frau Solvay hatte Dr. Simonte auf Unterhalt verklagt. Der behauptet aber, nicht der Vater zu sein. Und einem Test will er sich auch nicht unterziehen. Zwingen kann man ihn dazu nicht. Aber ... sein Gegenangebot lautete, das Kind zu adoptieren, wenn die Mutter auf alle Rechte verzichtet.Was die wiederum nicht wollte. Wo das Kind jetzt ist? Wir haben keine Ahnung.«
Es war wirklich nicht mein Tag. Meine ganze schöne Konstellation löste sich wie der Tabakqualm im Feuer einer Kerze auf.
Es war heute das zweite Mal, dass ich meine Erkenntnisse erzählte. Diesmal ohne Vermutungen, was die Sache erheblich verkürzte.
Eibel hatte fleißig mitgeschrieben. »War’s das?«, fragte er und klappte sein Notizbuch zu. »Dann lassen Sie uns noch etwas auf die gute Zusammenarbeit trinken, und morgen können Sie Ihren Laptop abholen und nach Hause fahren.«
»Wir könnten ja versuchen, den Keller doch noch aufzuräumen«, versuchte Margot mich aus meiner abgrundtief schlechten Laune zu holen.
Wir taten das, was alle taten, die über zu viel Wohnfläche pro Person verfügten oder zu wenig Personen hatten, um einen großen Raum gemütlich werden zu lassen. Wir saßen in der Küche.
Ich wusste noch nicht einmal, worüber ich mich ärgerte. War es die neue Konstellation Gerda–Simonte oder dass der große Unbekannte immer unbekannter wurde? War es meine Hilflosigkeit gegenüber der gesamten Situation oder einfach nur Zorn auf mich selbst, dass ich von Anfang an die falsche Spur verfolgt hatte?
Gegen Mitternacht erschien Frau Hofmann senior und strahlte wie nach einem Rendezvous.
»Kinder, ich habe noch mit dem Pizzabäcker gesprochen«, jubelte sie. »Es klappt. Er muss aufhören. Und den anderen wird es auch nicht besser gehen.«
»Was ist daran so lustig?«, fragte Margot. »Mit jedem, der aufgibt, wird der Münsterplatz unattraktiver. Damit verlieren wir auch an Kunden.«
»Papperlapapp. Werd du erst einmal erwachsen«, trällerte die alte Dame. »Die Attraktivität steigt, wenn erst die richtigen Pächter da sind. Nicht dieses ungebildete Volk, das schon ein Lokal führen darf, wenn sie nur die Hackfleischverordnung kennen.«
Meine dumpfe Leere füllte sich langsam wieder mit Interesse. Hier war was im Gange,das nur ausgesprochen werden musste.
»Hast du was getrunken?«, fragte Margot und prüfte misstrauisch die Standfestigkeit ihrer Mutter.
»Ja, und? Darf ich das nicht? Noch bin ich die Chefin im Café und in meinem Haus.«
Margot merkte, dass sie die falsche Richtung eingeschlagen hatte und so nur den Trotz der Mutter herausforderte.
»Schon gut. So habe ich es ja nicht gemeint«, schlug sie den verbindlicheren Ton an. »Komm, setz dich und erzähle.«
Die alte Dame prüfte wie ein Papagei auf der Stange mit geneigtem Kopf, wie sie den Wechsel in Margots Tonlage zu bewerten hatte.
»Wollen Sie das auch hören?«, krähte sie mich an und ließ sich auf den Stuhl fallen. »Gib mir mal einer ein Bier.Ich hab’nen Brand ...und ein Zigarillo, wenn’s recht ist.«
Nachdem Margot
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