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Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters

Titel: Im Schatten des Münsters - Buthe, H: Im Schatten des Münsters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe , luebbe digital
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dem Wagen da? Otto verlangt nach Ihnen. Ich glaube, dass er nur noch durchhält, um etwas loszuwerden.«
    Er dirigierte mich durch das Tal.
    »Warum haben Sie ihn aus der Klinik geholt?«
    »Er fing an, unter dem Einfluss der Medikamente wirres Zeug zu reden.«
    »Hätte er etwas verraten können? Und was?«
    Lutz wurde ungehalten. »Das erkläre ich alles später. Tun Sie mir nur einen Gefallen, sagen Sie nichts vom Tod von Frau Solvay, sonst macht mein Bruder sich Sorgen um Lisa.«
    »Woher wissen Sie das von Frau Solvay?«
    »Der Küster ist mein Auge und Ohr in der Stadt.«
    »Und dann behandelt er Otto wie ein Stück Dreck?«, knurrte ich.
    »Er tut nur seine Pflicht. Außerdem weiß er nicht, dass Otto mein Bruder ist.«
    Wir hielten im Hof eines prächtig herausgeputzten Schwarzwaldhauses. Der sich an der Stirnseite hinziehende Balkon wirkte wie ein Katarakt aus herabströmenden Geranien. Die Gegend roch nach gewendetem Heu.
    Ein kleines Messingschild an der Tür erwähnte fast verschämt, dass hier ein Arzt zu Hause war.
    Otto lag wie ein verkabelter, zusammengerollter Igel in einem hellen Zimmer. Die Balkontür stand offen und ließ den Duft aus Blumen, Heu und Harz ungehindert durch den Raum streichen.
    »Ha, Schnüffler. Wird Zeit, sich zu verabschieden«, röchelte er so leise, dass ich mich über ihn beugen musste, um etwas zu verstehen. Er war frisch rasiert und roch das erste Mal nicht nach Misthaufen.
    »Hör zu«, ein schleimender Hustenanfall unterbrach ihn, »kümmere dich um die Tiere. Verkauf sie. Hast du den Schlüssel noch? Mein Bruder sagt dir, wann du ihn benutzen darfst. Aber ...«, sein Auswurf wurde dunkelrot, »was mein Bruder nicht wissen darf ... ich habe mein Testament gemacht. Du findest es im Pflaumenmus mit der Aufschrift September 2000 ...«, der Husten ging in einen Erstickungsanfall über, und ich rief den Pater, der vor der Tür mit dem Arzt sprach.
    Ottos Hand suchte nach meiner und umspannte sie wie ein Schraubstock. »Pass auf Lisa auf«, drang es noch einmal mit letzter Kraft aus ihm, dann lockerte er den Griff.
    Der Arzt schaltete die Geräte aus, und Pater Lutz segnete seinen Bruder.
    »Hoffentlich führt dich dein Weg jetzt für immer nach Neuseeland«, murmelte ich und kämpfte mit einem Kloß im Hals.
    »Kommen Sie. Er hat seinen Frieden mit Gott und der Welt gemacht.«
    Er sagte das so beiläufig, als wünschte er jemand einen guten Tag.
    »Wo wird er beigesetzt?«
    »Ich weiß es noch nicht. Vorher muss ich noch ein paar Dinge klären.« Er nahm mich am Arm und zog mich aus dem Zimmer.
    »Sie hören von mir«, war sein einziger Kommentar zum Abschied.
 
    Auf der Rückfahrt beschäftigte mich das plötzlich unterkühlte Verhalten des Paters. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihm der Tod seines Bruders nicht ungelegen kam.
    Ich nahm mein Umfeld erst wieder bewusst wahr, als ich auf Ottos Hof rollte. Die Tiere waren von jemandem gefüttert worden. Hier war also keine Eile geboten.
    Die Marmeladengläser waren schnell in Ottos »Schlafzimmer« gefunden. Es waren Einmachgläser, wie ich sie noch von meiner Großmutter in Erinnerung hatte. Mal mit einem Glasdeckel, der durch ein rotes Lippengummi dicht gehalten wurde, mal auch nur mit Zellophan und einem Band. Alle trugen ein rot kariertes Klebeschild, auf dessen weiß gelassenem Schriftfeld der Inhalt und das Einmachdatum festgehalten waren. Pflaumenmus, September 2000. Ich hob das etwa einen Liter fassende Glas vom Regal und setzte mich damit an den Tisch in der Stube.
    Der Deckel lag lose auf dem Gummi. Das Mus begann Schimmel an der Oberfläche zu bilden. Langsam tauchte ich den Zeigefinger in die Masse und begann mit rührenden Bewegungen den Inhalt zu erkunden.
 
    »Sie passen sich ja schnell der Umgebung an.«
    Kommissar Eibel stand in der Tür und grinste. »Ja, ja. Auf so einem Hof fühlt man sich gleich in die Kindheit zurückversetzt. Da schmeckte das Eingemachte nur mit dem kleinen Naschfinger.«
    Ich leckte das Mus vom Finger. Es schmeckte tatsächlich nach Kindheit.
    »Latschen Sie mir schon wieder hinterher? Wollten Sie nicht Lisa finden?«, versuchte ich meine Überraschung zu überspielen.
    Er setzte sich neben mich auf die Ofenbank und tauchte seinen kleinen Finger auch in das Mus.
    »Wirklich Klasse«, schmatzte er, nachdem er davon probiert hatte.
    »Nein, ich latsche Ihnen nicht hinterher. Nur Pater Lutz ist der Meinung, dass Ihnen Otto etwas erzählt hat, was für ihn als Erbe

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