Im Schatten dunkler Mächte

scrollte die verschiedenen Namen, Etymologien und Bilder von Elmsfeuern und Hexen ab, dann las ich:

    Samhain: der gälische Begriff für November; Samhain markiert den Beginn der dunklen Jahreshälfte im »Gaulish Year«; Beltane kündigt die helle Jahreshälfte an.

    Na toll. Demnach waren die vergangenen Monate nicht die dunklen gewesen?

    Formal verweist Samhain auf den 1 . November. Die Christen feiern an diesem Tag Allerheiligen, aber auf die Samhain-Nacht – Oiche Shambna – konzentrierten sich seit alters her Rituale und abergläubische Bräuche.
    Die Kelten glaubten, dass Allerheiligen einer der Schwellentage des Jahres ist, an denen Geister aus dem Jenseits die Grenzen überschreiten und die Magie am wirksamsten ist. Die Kelten nahmen an, dass sowohl ihre Toten als auch die furchterregenden, unsterblichen Sidhe in den Hügeln unter der Erde hausen und in dieser besonderen Nacht auferstehen und sich frei bewegen können. Zeremonien mit großen Feuern, mit denen die bösen Geister vertrieben werden, wurden abgehalten.

    Ich las einen Eintrag nach dem anderen, Artikel um Artikel, und staunte, dass in so vielen Ländern und Kulturen ein ähnlicher Glaube vorgeherrscht hatte. Über die Ursprünge von Halloween hatte ich mir nie Gedanken gemacht, sondern hatte in meiner Kindheit lediglich die Süßigkeiten gehamstert und später Spaß an den Kostümen und den Partys gehabt. Wenn ich arbeitenmusste, bekam ich an diesem Tag immer großzügige Trinkgelder.
    Kern all der Aussagen war, dass die Mauern zwischen den Welten in der Nacht vom 31 . Oktober auf den 1 . November gefährlich dünn waren, am anfälligsten um Punkt Mitternacht, während der kleinen Lücke zwischen Hell und Dunkel. Und falls irgendetwas versuchte, von einer Welt in die andere zu wechseln, oder jemand – sagen wir ein bösartiges ehemaliges Feenwesen mit Rachegelüsten – die Mauern zum Einsturz bringen wollte, dann war dies genau der richtige Zeitpunkt dafür.
    Mädchen, in gewissen Nächten des Jahres, hatte mir Christian erzählt, führen meine Onkel Rituale durch, um unseren Teil der Abmachung einzuhalten und die Mauern zwischen den Bereichen zu festigen. Die letzten Male machte sich jedoch schwarze Magie bemerkbar und verhinderte, dass wir unseren Tribut voll bezahlen konnten. Meine Onkel glauben, dass die Mauern einem weiteren unvollständigen Ritual nicht mehr standhalten werden.
    Gewisse Nächte. Sie konnten keinem unvollständigen Ritual mehr standhalten.
    War Samhain die Nacht, in der die MacKeltars das nächste Ritual ausführten? War uns die Katastrophe so nahe? Bis Halloween waren es nur noch zwei kurze Wochen. Hatte O’Bannion auf diese Nacht angespielt?
    Ich drückte auf die Wiederwahltaste, um es noch einmal im Institut für Altsprachen zu versuchen. Wieder erhielt ich keine Antwort. Das Warten hatte mich schon den ganzen Tag verrückt gemacht, und jetzt wollte ich Christian nicht nur warnen, sondern hatte auch noch jede Menge Fragen an ihn. Aber wo trieb er sich herum?
    Ich ließ den Laptop herunterfahren, schloss den Laden ab und ging in Richtung Trinity.

    Erstaunlicherweise döste ich ein, als ich an der Wand vor den verschlossenen Büros des Instituts für Altsprachen lehnte. Ich glaube, dass ich das nur konnte, weil ich mich hier in den hellen Hallen eines Colleges wie die alte Mac fühlte, umgeben von den Stimmen und dem Gelächter junger Leute, die keine Ahnung hatten, was sie in der realen Welt da draußen erwartete.
    Ich schreckte auf, als ich eine Berührung im Gesicht spürte, und meine Sidhe- Seher-Sinne explodierten.
    Das Nächste, was mir bewusst wurde, war, dass Christian unter mir auf dem Boden lag und die Spitze meines Speers auf seine Kehle deutete. Meine Muskeln waren angespannt. Ich war kampfbereit; das Adrenalin hatte kein Ventil. Träume waren in dem Moment, in dem ich die Berührung gefühlt hatte, zerplatzt. Mein Geist war kalt, klar und fit.
    Ich holte tief Luft und befahl mir, mich zu entspannen.
    Christian schob den Speer von seinem Hals. »Ganz ruhig, Mac. Ich wollte dich nur wecken. Du hast so süß und hübsch ausgesehen im Schlaf.« Sein Lächeln war flüchtig. »Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal machen.«
    Wir lösten uns verlegen voneinander. Wie schon gesagt, Christian ist ein Mann, und daran konnte kein Zweifel