Im Schatten von Notre Dame
eine große Platte aus leichtem Holz, die auf dem Wasser meines Zubers schwamm, beladen mit einer Hammelkeule, einer Brotpastete, einem Stück Roquefort, einer kleinen Tonkaraffe und zwei hölzernen Bechern. Während ich zur Karaffe griff und hellroten Hypokras in die Becher füllte, schlüpfte die Magd aus ihrem Hemd. Ganz unverhohlen ließ ich meinen Blick auf ihren prachtvollen Rundungen ruhen und bemerkte, daß sich zu dem Druck meines leeren Magens der eines in letzter Zeit ebenfalls sträflich vernachlässigten Organs gesellte.
Toinette setzte sich zu mir, ihre Haut streifte meine. Heiß und mit deftigen Gewürzen versetzt, rann der Wein durch unsere Kehlen. Selig stieß ich auf und lobte das Gesöff.
»Ich habe Ingwer, Zimt und grünen Pfeffer hineingetan.« Toinette schlug ihre unregelmäßigen Zähne in die Pastete und fuhr kauend fort: »Maître Aubert sagt, diese Zutaten im heißen Hypokras stärken den Mann.«
Ich verstand und grinste, zumal ich die Wirkung spürte, mochte sie nun im Würzwein begründet sein oder in der nackten Üppigkeit Toinettes. Mit der linken Hand schob ich die schwimmende Holzplatte beiseite, um mit der rechten nach den vollen Brüsten greifen zu können. »Maître Auberts Gewürze schlagen rasch an.«
»Hier können uns alle sehen«, kicherte die Magd und schlug meine Hand zur Seite.
»In diesem Nebel wohl kaum«, stellte ich nach einem kurzen Blick in die Runde fest. Hinter dem dicken Vorhang aus Dampfschwaden ver-schwammen die anderen Zuber, in denen die Badegäste hockten, viele zusammen mit einer Magd. »Außerdem sind hier alle beschäftigt.«
Noch einmal wich Toinette mir aus, und Badewasser spritzte. Dann hatte sie Erbarmen und flüsterte: »Reiben kostet extra.« Die Bademagd ließ ihre Hände ins Wasser gleiten, dorthin, wo niemand sie sehen konnte, und bald spritzte auch ich. Mir ging durch den Kopf, daß man die Bademägde mit voller Berechtigung ›Reiberinnen‹ nannte.
Zufrieden lehnte ich mich zurück, um Hammelfleisch, Käse und Wein zu genießen. Als ich den Holzbecher lehrte, mußte ich wieder an den armen Teufel auf dem Prangerblock denken. Was hätte er für einen Becher Wein gegeben, als er nach Wasser schrie und nur Spott erntete. Ihm hatte Claude Frollo nicht geholfen, aber mir, dem Fremden, hatte der Archidiakon zehn Sols in die Hand gedrückt!
Toinette blickte mich stirnrunzelnd an. »Was habt Ihr, Maître? Ihr schaut auf einmal so ernst drein. Wie der Drache, als der heilige Georg ihn erschlug. Schmeckt Euch der Hypokras nicht? Hab ich zuviel grü-
nen Pfeffer genommen?«
Ich schüttelte den Kopf, erzählte von der Bestrafung des Glöckners und meinte: »Dieser Quasimodo ist ein seltsamer Kauz.«
»Ein Sohn des Teufels«, fügte Toinette hinzu und schlug vor ihren schweren Brüsten das Kreuz, was mich an Schwester Victoire erinnerte.
»So etwas habe ich heute schon mal gehört«, sagte ich. »Wie kommst du darauf, in dem Buckligen einen Teufelssohn zu sehen?«
»Na, alle sagen’s! Er hat den bösen Blick. Es heißt, eine schwange-re Magd, die dem Glöckner begegnet, erspart sich den Gang zur Scha-berin.« Sie seufzte tief. »Beim Allmächtigen, vielleicht wäre die Begegnung mit Quasimodo eine schmerzlosere Methode, seinen dicken Bauch loszuwerden.«
Toinette blickte ernst drein. Ich begriff, daß sie aus schmerzvoller Erfahrung sprach. Um sie aufzuheitern, wollte ich Wein nachgießen, aber die Karaffe war leer. Da gerade eine andere Bademagd an unserem Zuber vorbeiging, erhob ich mich und reichte ihr den leeren Krug.
»Bring ihn voll zurück, am besten mit heißem Hypokras!«
Dabei wandte ich Toinette den Rücken zu. Als ich mich umdrehte und wieder ins Wasser glitt, hatte sich ihre Betrübnis in Erstaunen, ja fast in Erschrecken verwandelt. Mit aufgerissenen Augen starrte sie mich an, als sei ich Quasimodo, der Sohn des Teufels.
»Was hast du?« fragte ich.
»Die Muschel!« flüsterte sie entrückt. »Ihr habt die Muschel!«
Mir schwante, weshalb die Weinkaraffe so schnell leer gewesen war.
Grinsend zeigte ich auf das behaarte Dreieck zwischen ihren Schenkeln. »Du hast die Muschel, Toinette. Aber ich hätte sie gern zu meiner Verfügung.«
Abrupt stand sie auf – verängstigt, nicht empört – und stieg so unsanft aus dem Wasser, daß ein ordentlicher Schuß über den Rand schwappte. Sogleich verließ ich den Zuber ebenfalls, um sie festzuhalten.
»Kommt mir nicht zu nahe, Muschelbruder!« zischte sie und lief, nackt wie sie
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