Im Schloss unserer Liebe
könnten uns an die Universität wenden.“
„Wer spricht von Eile?“ Rafael fühlte sich plötzlich unbehaglich.
„Einige alte Männer“, versuchte der Stadtrat ihn zu beruhigen, obwohl er selbst bekümmert aussah. „Ich hingegen glaube, die Gefahr ist nicht akut. Soll ich mich mit der Universität in Verbindung setzten?“
„Ja, umgehend.“ Rafael stand der nackte, schrundige Abhang wieder vor Augen, und Ungeduld erfasste ihn. „Wenn wir bei der Finanzierung nicht geizen, sollten wir Leute finden, die rasch herkommen.“
Der Mann entspannte sich und verabschiedete sich bald darauf.
Rafael blieb sorgenvoll zurück und dachte an die kleine Stadt, die unterhalb des unsicheren Abhangs lag. Was konnte er noch tun für ihre Einwohner?
Verdammt! Es klopfte schon wieder.
Matty streckte den Kopf herein. „Komm schon, Mama. Onkel Rafael hat immer Zeit für uns.“ Damit zog er Kelly durch die offene Tür hinter sich her. „Onkel Rafael, Mama möchte sich deinen neuen Prototyp anschauen.“
Kelly folgte widerwillig, fast schüchtern.
„Hallo“, sagte er und musste unwillkürlich lächeln. Das schien sie noch verlegener zu machen, was er bezaubernd fand.
„Matty möchte mir unbedingt das Spielzeug zeigen“, sagte Kelly leise.
„Soll ich es vorführen?“
Sie schaute sich neugierig um. „Hier sieht es ja wie in einer richtigen Werkstatt aus.“
Ja, eins zu eins stand seine Werkstatt nun im Kellergeschoss des Schlosses. Beim Transport war nichts beschädigt worden. Er war froh, endlich wieder seinem eigentlichen Beruf nachgehen zu können.
Schon als Kind hatte er sich für Holzarbeit interessiert. Immer, wenn es seine Zeit erlaubte, hatte sein Vater mit ihm gebastelt und ihn die Grundgesetze der Mechanik gelehrt. Diese gemeinsamen Stunden hatten ihn geprägt. Seitdem liebte er es, mit den Händen zu arbeiten. Dabei fand er sein inneres Gleichgewicht.
Ob es Kelly ebenso erging, wenn sie in alten Quellen forschte?
„Kennen Sie Robo-Craft?“
„Ja, aus Spielzeuggeschäften.“
Matty japste. „Verpackt?“
Kelly nickte.
„Dann weißt du ja gar nicht, wie es funktioniert!“ Der Kleine zog sie zu einem Tisch. „Schau mal, Mama. Das hat Onkel Rafael alles allein erfunden.“
Er setzte einen winzigen Motor auf die Tischplatte, griff nach einer beachtlichen Planke, legte sie auf den Motor und schaltete ihn ein.
Die Planke drehte sich wie ein Ventilator um die eigene Achse.
„Und nun …“ Er spielte an der Steuerung, und die Planke begann, um ihre Achse zu taumeln. „Und nun …“ Das schwankende Gebilde rollte am Rand der Tischplatte entlang. „Warum geht es nicht hoch, Onkel Rafael?“
„Für einen Abschuss ist die Planke zu schwer. Setz etwas Leichteres drauf, was aussieht wie eine Rakete.“
Matty schaute sich um. „Darf ich das Stück Sperrholz nehmen?“
Doch Kelly hatte schon nach dem Motor gegriffen und betrachtete ihn fasziniert. „Darf ich einen Bus bauen?“, fragte sie sehnsüchtig.
Rafael lächelte. Er freute sich jedes Mal, wenn sein Spielzeug das Kind in einem Erwachsenen ansprach. „Warum gerade einen Bus?“
„Weil ich als Kind jeden Tag mit einem in die Schule gefahren bin. Der rollte so schön und schaukelte dabei. So einen Bus möchte ich bauen …“
„Dann los!“
Kelly war sofort mit Feuereifer bei der Sache.
Und dann spürte er es plötzlich.
Seit Kass’ Tod war es das erste Mal, dass Rafael wieder inneren Frieden empfand.
Schon immer hatte er Trost in seiner Arbeit gefunden. Sie hatte ihm gefehlt in den ersten Wochen seiner Rückkehr. Doch auch seit die Werkstatt sich im Schloss befand, hatten ihn die Gedanken an die Anforderungen seines zweiten Berufes nicht losgelassen. Immer, wenn er hier unten arbeitete, quälte ihn das schlechte Gewissen, weil oben andere wichtige Aufgaben auf ihn warteten. Der Druck, eine Entscheidung treffen zu müssen, war nie gewichen, obwohl er nichts sehnlicher wünschte, als ihr zu entrinnen. Deshalb hatte sich, auch wenn er mit den Händen arbeitete, die gewohnte Ruhe und Gelassenheit nicht einstellen wollen.
Doch nun war das anders. Er wollte nicht mehr entkommen. Er war im Einklang mit sich. Ein herrliches Gefühl.
Kelly und Matty waren vollkommen in ihr Tun versunken. Zum ersten Mal fiel Rafael die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn auf. Wie sie die Brauen zusammenzogen, bis sich eine kleine Stirnfalte bildete. Wie gut sie sich konzentrieren konnten. Wie umsichtig sie vorgingen und jeden Arbeitsschritt
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