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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Sie erwähnt haben.«
    »Wie war das, ehemalige Sträflinge zu behandeln?«
    »Es war keine gute Erfahrung.«
    »Warum nicht?«
    »Zwei von ihnen waren chronisch zu spät, und wenn sie dann kamen, waren sie auf irgendeiner Droge. Es war offensichtlich, dass sie nur die Zeit totschlugen.«
    »Warum sollten sie das tun?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Gab es irgendwelche Hinweise darauf, dass sie für ihr Erscheinen bezahlt wurden?«
    Gull zog die Augenbrauen hoch. »Das hat niemand erwähnt. Aus welchem Grund auch immer, sie waren jedenfalls nicht motiviert. Keine Einsicht, kein Verlangen danach.«
    »Was war mit dem dritten Patienten?«
    »Der«, sagte Gull stirnrunzelnd. »Der hat mich aus der Fassung gebracht. Er war nicht betrunken oder stoned, und er redete. Er redete viel. Aber nicht über sich. Über seine Freundin. Was sie brauchte, wie er vorhatte, es ihr zu besorgen.«
    »Was brauchte sie denn?«, fragte ich.
    Gull klappte die Brille zusammen und wieder auf. »Orgasmen. Offenbar war sie anorgasmisch, und er war entschlossen, das Problem zu lösen.«
    »Hat er Sie um Ihre Hilfe dabei gebeten?«
    »Nein«, sagte Gull, »das war es ja, er wollte nichts von mir, er dachte, er wüsste alles. Sehr aggressiv, sehr … Kein angenehmer Mann. Obwohl er versuchte, charmant zu sein. Den Versuch unternahm, ein intelligentes Gespräch zu führen.«
    »Er schaffte es nicht.«
    »Wohl kaum. Er täuschte es vor - der typische asoziale Charme. Wenn Sie irgendwelche Erfahrungen mit asozialen Psychopathen hätten, wüssten Sie, was ich meine.«
    »Anmaßend«, sagte ich.
    »Exakt, prototypische asoziale Anmaßung.« Er entspannte sich zusehends. Tat so, als wären wir Kollegen bei einem klinischen Schwätzchen. »Blumiger Sprachgebrauch, übermäßig beflissen. Er spielte den Zivilisierten und glaubte, er hätte mich an der Nase rumgeführt. Aber seine Phantasien.« Er atmete aus.
    »Sadistisch?«
    »Dominanz, Unterjochung und, ja, ich würde sagen ein Anflug von Sadismus. Er redete pausenlos davon, diese Frau zu fesseln und mit ihr so lange aggressiv sexuell zu verkehren, wie es nötig sei, um ihrem Körper Orgasmen abzuringen. Er benutzte nicht den Ausdruck ›sexuell zu verkehren‹.«
    »Sexuell ein harter Bursche«, sagte ich.
    »Seine Phantasien enthielten mehrfache Penetration, Fesseln, Fremdkörper. Ich versuchte ihn dazu zu bringen, auf die Bedürfnisse dieser Frau einzugehen, regte an, dass sie vielleicht ein wenig Zärtlichkeit, ein wenig Intimität brauche, aber das tat er lachend ab. Sein Plan war, Zitat, ›ihn ihr in jedes Loch reinzustecken, bis sie um Gnade flehte‹, Zitatende.«
    Er lächelte mit geübtem Überdruss. Jede Zurückhaltung, was die Diskussion über Patienten betraf, war verschwunden. »Ich für mein Teil konnte nicht einsehen, was irgendwas davon mit einer Reduzierung der Rückfallquote zu tun hatte, und als er nicht mehr erschien, sagte ich Mary, ich hätte genug von dem Programm und den Leuten, die es mir einbrächte.«
    Er schob die Brille wieder in seine Tasche, verflocht die Finger miteinander und rückte in seinem Sessel nach vorn. »Sie müssen verstehen: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Mary ein Härchen zu krümmen. Niemals .«
    »Also haben Sie nur drei ›Wachposten für Gerechtigkeit‹-Patienten behandelt. Wie viele Sitzungen insgesamt?«
    »Ich glaube zwölf - mit Sicherheit nicht viel mehr. Ich erinnere mich noch, gedacht zu haben, dass das Projekt, abgesehen davon, dass es unangenehm und unproduktiv war, finanziell ein Schlag ins Wasser war. Ich glaube, die gesamte Rechnungssumme belief sich auf nicht mal fünfhundert Dollar. Deshalb ist Ihre Zahl von dreihunderttausend so absurd. Und das Geld ging nicht zur Marina Del Rey, es kam zu Mary in die Praxis, sie reichte den Scheck von Medi-Cal ein und händigte mir das Geld aus. Sie sollten wirklich mal Ihre Fakten überprüfen, meine Herren.«
    »Mary war die Schatzmeisterin.«
    »Sozusagen. Ja.«
    Milo nahm mehrere Blatt Papier aus seinem Aktenkoffer und gab sie mir. Ich zeigte Franco Gull ein Verbrecherfoto von Raymond Degussa.
    »Ja, das ist er«, sagte er. »Ray.«
    »Mr. Dominanz.«
    Er nickte. »Hat er Mary ermordet?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Weil er auf mich den Eindruck eines Mannes machte, der eindeutig zu Gewalttaten fähig war. Sein ganzes Auftreten, wie er dasaß, sich bewegte - wie ein kaum gezähmtes Tier.« Er studierte das Bild. »Sehen Sie sich diese Augen an. Er bereitete mir Unbehagen. Ich sagte Mary

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