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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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kam Charmaine sehr vertraut vor. »Schau doch selbst nach.«
    Blitzschnell kroch Yvette unter den Tisch, und gleich darauf zerrte Pierre an Johns Bein. »Wir haben eine Gubbernante«, erzählte der Junge und lächelte zu seinem Bruder empor.
    Der beugte sich zu ihm hinunter. »Ist das wahr?« Charmaine bemerkte, dass John lächelte. »Ist sie denn genauso alt und hässlich wie Nana Rose?«
    »Nein!« Der Junge war entrüstet, weil er die Gemein heit nicht verstand. »Sie ist schön. Ich liebe sie!« Er drückte Johns Bein fester, um seine Worte zu bekräftigen, und entlockte ihm wieder ein kleines Lachen.
    »Da ist sie ja!« Yvette kroch unter dem Tisch hervor und deutete zur Tür.
    Als John sich umdrehte, stockte Charmaine der Atem. Er hob Jeannette von seinem Schoß herunter und stand auf. Seine Blicke hielten sie gefangen, während er sie im Licht des neuen Tages musterte.
    Dies also ist John Duvoisin , dachte sie. Er war groß, vielleicht nicht ganz so groß wie sein Bruder, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Im Gegensatz zur vergangenen Nacht war er heute so tadellos gekleidet wie ein Gentleman. Sein gut geschnittenes Gesicht war ihr gestern nicht aufgefallen, doch heute gab es keinen Zweifel an seiner Herkunft. Seine Ähnlichkeit mit Frederic Duvoisin war nicht zu übersehen: die gleichen braunen Augen, die lange gebogene Nase, das energische Kinn und schmale Lippen. Selbst wenn man sein Gesicht nicht sah, würden ihn seine Haltung und seine Statur als einen Duvoisin entlarven, der die ganze Macht der Familie verkörperte.
    Als ob John Duvoisin ihre Gedanken gelesen hätte, zogen sich seine Brauen in die Höhe, bis sie die braunen Locken berührten, die ihm in die Stirn fielen. Sie wollte den Blick abwenden, und er amüsierte sich über ihre Angst vor seinen forschenden Augen. Sie schauderte bei dem Gedanken, dass ihre Zukunft in seinen Händen lag. Dieses quälende Feuer, das er mit seinem Eindringen in ihr behütetes Leben entzündet hatte, würde sie nie wieder loswerden. Eine dunkle Ahnung künftiger Probleme ließ sie zurückschrecken.
    »Ich glaube, wir haben uns schon getroffen«, sagte er mit schiefem Lächeln. »Wir kennen nur unsere Namen noch nicht.«
    »Ich weiß, wer Sie sind«, widersprach Charmaine hitzig und hatte ihre Angst blitzschnell vergessen.
    Seine Brauen hoben sich noch etwas mehr. »Für jemanden, der Gott dafür dankt, dass er den Namen eines arrogantes Gesichts nicht wissen will, haben Sie die Einzelheiten aber schnell zusammengefügt.«
    Mit offenem Mund starrte Charmaine ihn an und staunte über sein Gedächtnis. Seine vornehme Kleidung war offenbar keine Garantie für eine zivilisierte Unterhaltung.
    Er dagegen amüsierte sich nur. Sie spielte die gekränkte Lady, obgleich sie, wie er wusste, keine war. »Kommen Sie – Mademoiselle. Das ist doch richtig, oder?« Nach ih rem schroffen Nicken fuhr er fort: »Sie tun so, als ob ich immer noch die Wasserratte von gestern sei. Eine Ratte in trockenen Kleidern sozusagen.«
    »Ich habe Sie nie als Ratte bezeichnet!«
    »Wirklich nicht?«, fragte er kalt. »Wer kriecht denn sonst aus stinkenden Löchern? In Anbetracht unserer kurzen Bekanntschaft könnte ich jedoch unrecht haben. Vielleicht konnten Sie sich ja noch keine ehrliche Meinung über mich bilden, weil Sie ständig beeinflusst wurden. Mein Bruder hat Ihnen hoffentlich nicht nur schlimme Geschichten über mich erzählt, oder etwa doch?«
    Charmaines Schweigen war ihm Antwort genug. Er lachte leise.
    Seine Fröhlichkeit verletzte sie, aber sie konnte ihn nur anstarren, als sie begriff, dass er sie zum Verrat an seinem Bruder verleitet hatte.
    »Sehen Sie nicht so betreten drein, Mademoiselle. Sie haben mir nichts gesagt, was ich nicht längst weiß.«
    »Ich habe Ihnen gar nichts gesagt!«
    »Das ist richtig, Mademoiselle …?« Er kannte ihren Namen nicht und fühlte sich plötzlich im Nachteil. Das passte ihm nicht, denn andere schlecht aussehen zu lassen, das war sein Vorrecht. »Sie haben sicher einen Namen, nicht wahr?«
    Durch seine direkte Art war Charmaine verunsichert. Sie dachte an Anne London und fragte sich, was er bezweckte. Laut Stephen Westphal war John Duvoisin mit der Witwe verlobt. Also musste er ihren Namen kennen – und mehr noch! Sie wollte sich keine weitere Blöße geben, indem sie seine Frage beantwortete. Stattdessen sah sie die Kinder an, die eifersüchtig ihrer Unterhaltung folgten. »Ich werde Mrs. Henderson um ein Tablett für uns bitten. Dann

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