Im Sommer der Sturme
unsere Gouvernante?«
Colette war sprachlos. »Wie, um alles in der Welt, kommst du denn darauf, Yvette?«
Das Mädchen zog ein Gesicht. »Nana hat gesagt, dass sie nicht mehr so für uns sorgen kann wie früher für Johnny, Paul und George. Und ich habe gehört, dass Mrs. Ward vorgeschlagen hat, eine Gouvernante einzustellen.«
Colette runzelte die Stirn. »Und wo hast du das gehört, junge Lady?«
»Keine Ahnung.« Sie zuckte die Schultern. »Ich habe es eben gehört.«
»Und möchtest du denn, dass Miss Ryan Eure Gouvernante wird?«
» Ich schon«, meldete sich Jeannette zu Wort. Dann wandte sie sich an ihren Bruder, der zufrieden auf Colettes Schoß thronte. »Was meinst du, Pierre? Willst du, dass Mademoiselle Ryan bei uns wohnt und für uns sorgt?«
Lächelnd rieb sich der kleine Kerl die Äuglein und gähnte.
»Er ist müde«, stellte Jeannette fest. »Aber ich glaube, er mag sie.«
»Und wie steht es mit dir, Yvette?«, fragte Colette. »Möchtest du, dass Mademoiselle Charmaine zu uns kommt?«
»Ich denke schon«, meinte sie schnippisch.
»Yvette, deine Mutter hat dich nach deiner Meinung gefragt«, mischte sich Paul ein. »Bitte, gib ihr eine höfliche Antwort.«
»Schwer zu sagen«, meinte Yvette und legte den Finger ans Kinn. »Aber ich glaube, dass sie mir besser gefällt als Felicia.«
Ein Blick zu Paul – und jedermann wusste, dass Yvette etwas gesagt hatte, was besser ungesagt geblieben wäre. Und genauso klar war auch, dass Colette genau wusste, worauf ihre Tochter anspielte. »Ich bin sehr enttäuscht, Yvette«, sagte sie, bevor Paul reagieren konnte.
Sofort brach das Mädchen in Tränen aus. Angesichts dieses Tadels war alle Aufsässigkeit wie weggeblasen. »Es tut mir leid, Mama! Es tut mir leid, Paul!«, heulte sie und rannte aus dem Zimmer.
Colette seufzte. »Ich halte es für besser, unser Gespräch an diesem Punkt zu beenden. Mir ist klar, dass Sie auf eine Antwort warten, Miss Ryan, doch ich möchte mir die Angelegenheit in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Ich werde Ihnen am Montag Bescheid geben, wenn Ihnen das recht ist?«
Charmaine lächelte zaghaft. »Aber natürlich ist mir das recht.«
Jeannette spürte, dass Charmaine bedrückt war, und ging zu ihr. »Ich mag Sie sehr, Miss Ryan, und ich verspreche, dass ich Mama und Papa überreden werde, Sie zu nehmen.«
Papa – Frederic Duvoisin. Charmaine hatte ihn völlig vergessen. Natürlich wollte Colette die Sache mit ihrem Mann besprechen. Mit einem Mal sah alles nicht mehr ganz so hoffnungslos aus. Sie lächelte der Kleinen zu. »Ich danke dir, Jeannette, und ich hoffe sehr, dass wir uns bald wiedersehen.«
Caroline Browning konnte ihre Rückkehr kaum erwarten. »Kommt schnell herein«, rief sie, als sie aus dem Wagen stiegen. »Wie ist das Gespräch verlaufen? Ist alles gut gegangen? Hast du die Stelle bekommen?«
Charmaine musste erst einmal Luft holen. »Ich weiß es nicht – ich meine, ich erfahre es erst am Montag. Mrs. Duvoisin möchte noch mit ihrem Mann darüber sprechen.«
»War Frederic denn nicht dabei?«, fragte Caroline empört. »Dann ist es also wahr!«
»Was ist wahr?«, fragte ihre Schwester.
»Dass Frederic seine Räume nicht mehr verlässt.«
»Das können wir doch gar nicht wissen«, erwiderte Loretta. »Vielleicht hatte er ja anderswo zu tun.«
Das hielt Charmaine für unwahrscheinlich. Schließlich hatte Paul Duvoisin auch Zeit gefunden, um bei dem Gespräch anwesend zu sein. Und wenn man Gwendolyn glauben wollte, so war er doch ständig beschäftigt.
Caroline sprach aus, was sie dachte. »Jedermann weiß, dass Frederic das Haus nicht mehr verlässt. Das stimmt doch, nicht wahr, Harold?«
Ihr Mann widersprach nicht.
»Nein, nein, sein Zustand muss ernst sein.« In ihrem Kopf arbeitete es. »Und Miss Colette? Ist sie auch so krank, wie man munkelt?«
Loretta runzelte die Brauen. »Du wusstest, dass es mit ihrer Gesundheit nicht zum Besten steht, und hast uns das nicht gesagt?«
»Ich kann doch nicht an alles denken.« Caroline setzte sich aufrecht hin und strich sich über das Mieder. »War das denn so wichtig?«
»Es hätte zumindest erklärt, weshalb Mrs. Duvoisin eine junge Gouvernante sucht, die sich um ihre Kinder kümmert.« Loretta war sichtlich verärgert. »Wir sind i n dem Glauben zu dem Gespräch gegangen, dass die Erziehung und der Unterricht im Mittelpunkt stünden. Dabei stand für Mrs. Duvoisin die richtige Betreuung ihrer Kinder im Mittelpunkt. Wenn wir das gewusst
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