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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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ihm zu gehen. Sie schluckte ihren Stolz hinunter und wollte ihm zeigen, dass sie ihn begehrte, ihn liebte. Aus seinem Schlafzimmer war schweres Atmen zu hören, Agathas Kleider waren überall im Ankleidezimmer verstreut. Also hatte Frederic in den Armen seiner Schwägerin Trost gefunden. Auf Zehenspitzen schlich Colette in ihre Räume zurück. Ihr Herz war wie tot, und sie fand Trost, indem sie unzählige Tränen in die Kissen vergoss.
    Frederic erfuhr niemals, was Colette in dieser Nacht gesehen hatte. Sie ging davon aus, dass er Agatha von da an bei jedem ihrer Besuche in seinem Bett willkommen geheißen hatte, und sie fragte sich, ob er sie auch heute, in seinem verkrüppelten Zustand, noch immer in die Arme schloss.
    Sie wandte sich wieder dem Brief zu. Sie freute sich auf das Treffen mit Charmaine Ryan, und ebenso behagte ihr der Gedanke, endlich eine Frau um sich zu haben, die in etwa ihr Alter hatte. In diesem Moment beschloss sie, die junge Frau einzustellen.
    »Was machst du nur so lange, Charmaine?«, rief Loretta von der Tür her. »Es ist beinahe halb vier. Du wirst noch zu spät kommen.«
    »Ich will doch gut aussehen, aber ich kann die Brosche einfach nicht feststecken.«
    »Lass mich das machen.«
    Loretta befestigte die Bosche, und Charmaine trat einen Schritt zurück. »Na, wie sehe ich aus? Werde ich die Prüfung bestehen?«
    »Du siehst wunderhübsch aus.« Mit aufmunternder Geste ergriff Loretta Charmaines Hand. »Mein Gott, du zitterst ja wie ein Blatt im Sturm. Kein Wunder, dass du die Brosche nicht befestigen konntest.«
    »Ich werde es schon schaffen«, versicherte Charmaine mit bebender Stimme und zaghaftem Lächeln. »Und falls ich die Stelle nicht bekomme …«
    »… wird es ihr Schaden sein«, entgegnete Loretta. »Sei zuversichtlich und denk daran: Hin und wieder ein bisschen zu flunkern hat noch keinem geschadet.«
    »Das kann ich nicht!«
    »Unsinn. Du hast doch gesehen, welchen Erfolg ich damit hatte. Hinterher war keiner schlauer.«
    »Aber was, wenn sie die Wahrheit herausfinden?«
    »Wie sollten sie das denn anstellen? Du musst so mit den Menschen reden, wie sie es von dir erwarten, dir sozusagen ihre Absicht aneignen. Paul Duvoisin ist ein gutes Beispiel dafür. Er wollte deine Unerfahrenheit ins Feld führen, doch ich habe ihm den Wind aus den Segeln genommen. Schließlich bist du imstande, dich um meine Enkelkinder zu kümmern, selbst wenn du nie Gelegenheit dazu hattest.«
    »Sie mögen ihn nicht, oder?«
    »Wen? Mr. Duvoisin? Ganz im Gegenteil. Vermutlich ist der Mann ein Gentleman. Doch solange du ihn nicht besser kennst, solltest du auf der Hut sein.« Loretta lächelte aufmunternd. »Komm jetzt, Charmaine, der Wagen wartet, um dich in dein neues Leben zu bringen. Und in meinem Herzen weiß ich, dass du nicht enttäuscht sein wirst.«
    Charmaine bestieg den Landauer, den Colette Duvoisin geschickt hatte, und während der Fahrt hatte sie Zeit genug, um über ihre Ängste nachzudenken. Loretta Harrington war so sicher, was ihre Zukunft betraf, doch ihr selbst fehlte diese Zuversicht. Für gewöhnlich fand sie Ruhe im Gebet, aber bei der heutigen Mittagsmesse hatte nicht mal das geholfen. Trotz des Briefs hatte Charmaine während Father Benitos langatmiger und wenig zuversichtlicher Predigt ständig nur das Schlimmste befürchtet. Wie leicht konnte die Macht dieser Familie ihr Leben vernichten. Wer war sie denn schon? Und wichtiger noch: Wenn Paul Duvoisin sie ablehnte, welches Glück konnte sie dann noch in den Mauern dieses Herrenhauses finden?
    Die Räumlichkeiten des Hausherrn und der Hausherrin lagen am äußersten Ende des Südflügels, und zwar im Stockwerk über dem großen Ballsaal und somit weit vom Lärm und der Unruhe des Haushalts entfernt. Dort fanden der Hausherr und seine Frau die ersehnte Ruhe, weil sich niemand, ohne aufgefordert zu sein, bis in diese entlegenen Räume verirrte.
    Dieses Leben in Abgeschiedenheit war Frederic Duvoisins selbst gewähltes Gefängnis, wo er über sein bisheriges Leben nachsann. Oft saß er in dem großen Sessel und starrte auf die geschlossene Eichentür. Insgesamt gab es drei Türen im Raum. Eine führte in sein Schlafzimmer und eine weitere auf den Flur, aber die interessierten ihn nicht. Er hatte nur Augen für die geschlossene Tür direkt vor ihm, nicht mehr als zehn Schritte von ihm entfernt, hinter der sich der Salon seiner Frau befand – dies war die einzige Tür, die ihn interessierte.
    Er konnte jede Bewegung hören und

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