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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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Der schlaksige junge Mann gefiel ihr.
    »Ich hätte nicht wie ein Verrückter aus dem Haus rennen dürfen, aber der Zusammenstoß mit Ihnen war die Sache wert.« Ohne weitere Förmlichkeiten fasste er ihren Ellenbogen und geleitete sie die letzten Stufen empor. »Darf ich vielleicht noch Ihren Namen erfahren?«
    Ihr Blick lag auf seinem schmalen Gesicht. »Charmaine Ryan.«
    »Oh, die neue Gouvernante.«
    »Bin ich das?«, fragte sie zurück.
    Seine Miene wurde ernst, innerlich stöhnte er. »Nun ja, vielleicht noch nicht ganz, aber man zieht Sie immerhin in Erwägung. Es tut mir leid, wenn ich Hoffnungen geweckt habe, aber ich bin sicher …«
    »George, wolltest du nicht Wade helfen, die Säge in der Mühle zu schleifen?«
    Mit verschränkten Armen stand Paul Duvoisin unter der Tür und musterte den jungen Mann mürrisch. Charmaine hatte ihn noch gar nicht bemerkt, und mit einem Mal brannten ihre Wangen wie Feuer. »Nun?«
    »Heute ist immerhin Sonntag«, rechtfertigte sich George. »Die Säge kann ruhig bis morgen warten. Außerdem habe ich fast den ganzen Nachmittag mit deinen Schwestern gespielt und sie gerade eben erst bei meiner Großmutter abgeliefert. Der Rest des Tages gehört jetzt mir.«
    Paul erwiderte nichts darauf, doch Charmaine bemerkte das stumme Zwiegespräch zwischen den beiden Männern sehr wohl. »Ich will außerdem nach Alabaster sehen.«
    Paul zog eine Braue in die Höhe. »Und warum?«
    »Phantom hat ihn kürzlich gebissen.«
    »Wie, zum Teufel, konnte das passieren?«
    George räusperte sich und sah kurz in Charmaines Richtung. Aber Paul beeindruckte das nicht. Schließlich antwortete George zögernd. »Yvette hat …«
    Bestürzt hob Paul die Hand. »Das will ich gar nicht hören! Aber ich verspreche dir eines – und das kannst du gern auch Rose ausrichten: Irgendwann wird Yvette zu weit gehen, und dann werde ich sie voller Wonne übers Knie legen und ihr den Hintern versohlen!«
    George räusperte sich noch einmal, diesmal lauter, und sah wieder zu Charmaine hinüber, die errötet war. Paul folgte seinem Blick, und im selben Augenblick verdrängte ein Lächeln seinen missmutigen Gesichtsausdruck. »Nachdem unsere Bemühungen fehlgeschlagen sind, hat Miss Ryan vielleicht einen besseren Einfluss auf meine kleine Schwester. Wenn ja, so wäre das der Beweis, dass sie mit Kindern umgehen kann.«
    »Ich sehe jetzt lieber nach Alabaster«, bemerkte George. »Guten Tag, Miss Ryan. Ich hoffe, ich komme jetzt öfter in den Genuss Ihrer Gesellschaft. Viel Glück!«
    »Vielen Dank.« Wenigstens einer, der ihr Mut machte. »Unsere Begegnung hat mich sehr gefreut, obgleich uns keiner miteinander bekannt gemacht hat.«
    »Ich bin George. George Richards.«
    »Mr. Richards.« Charmaine nickte ihm zu. »Noch einmal vielen Dank.«
    »Die Freude war ganz auf meiner Seite.« Spontan ergriff er ihre Hand und drückte einen Kuss darauf. Dann eilte er glücklich lächelnd über die Wiese davon und konnte es sich nicht verkneifen, sich noch einmal kurz umzudrehen. Das eifersüchtige Stirnrunzeln auf Pauls Gesicht enttäuschte ihn nicht. Ja, er hatte ihn loswerden wollen.
    »Miss Ryan.« Paul wandte den Blick endgültig von George ab und konzentrierte sich auf Charmaine. »Wie ich sehe, sind Sie pünktlich.«
    »Es war sehr nett, mir den Wagen zu schicken«, sagte sie ruhiger, als sie es für möglich gehalten hätte.
    »Also gut … Gehen wir ins Haus? Colette erwartet Sie bereits.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm er den Platz ein, den George soeben geräumt hatte, und führte sie am Ellenbogen ins Haus.
    Je schneller Charmaines Herz klopfte, desto flacher ging ihr Atem. Stumm geleitete Paul sie durchs Foyer und dann die südliche Treppe hinauf, die vermutlich zu den Räumen der Hausherrin führte. Charmaine war dankbar für das Schweigen, weil es ihr Zeit gab, sich zu sammeln.
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte Paul. »Colette ist der Meinung, dass Sie sich in ihren Räumen wohler fühlen würden, doch leider liegen sie am Ende des Hauses.«
    »Ich wusste ja, dass das Haus groß ist, aber …«
    »Wie groß es ist, konnten Sie sich nicht vorstellen«, folgerte er. Dabei spielte die Andeutung eines Lächelns um seine Mundwinkel.
    »Dies hier ist der Südflügel«, erklärte er, als sie die oberste Stufe erreichten. »Die Räume auf dieser Seite des Hauses sind allein der Familie vorbehalten.« Er deutete auf den Absatz, wo die beiden Treppen sich trennten. »Der nördliche Flügel dagegen steht die meiste

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