Im Sommer der Sturme
ihre Verlegenheit bei weitem. Der Keks schien in seiner Kehle festzustecken. »Ich glaube … ich verschwinde lieber … auf der Stelle …«, stotterte er und schlug sich mit der flachen Hand auf die Brust. »… Wenn Sie mich … entschuldigen wollen.«
Kaum dass er fort war, ließ Charmaine ihrer Empörung freien Lauf. »Welch ein abscheulicher Wunsch. Warum, in Gottes Namen, wollt ihr so etwas sehen?«
»Es interessiert mich eben.« Yvette zuckte die Schultern.
»Ich würde vorschlagen, dass du dich für etwas anderes interessierst. Auch wenn es dir nicht gefällt, Yvette, aber du bist eine junge Lady. Nicht einmal Gentlemen unterhalten sich über solche Sachen.«
»Welche Sachen?«
Charmaine stöhnte.
»Charmaine?«, fragte Paul, als er mit Dr. Blackford die Treppe heraufkam und von einem zum anderen sah. Yvette mied seinen Blick. »Worüber unterhalten sich Gentlemen nicht?«, bohrte er weiter, als ihm langsam der Zusammenhang dämmerte.
»Über Pferdehochzeiten«, klärte seine Schwester ihn ohne Zögern auf.
Charmaine hielt die Luft an, weil sie auf seinen Widerspruch gefasst war. Aber Paul überraschte sie. »Mademoiselle Charmaine hat recht. Gentlemen reden nicht über solche Sachen. Jedenfalls nicht öffentlich. Ich bin jedoch überrascht, dass du deiner Gouvernante Kummer machst. Das ist sicherlich nicht die richtige Art, seine Dankbarkeit auszudrücken. Wenn ich mich nicht irre, so hat sie doch heute einen Brief auf der Destiny abgeliefert, oder etwa nicht?«
Yvettes Augen verengten sich. Die Stille wurde immer unerträglicher. »Ich glaube, ich habe Hunger«, sagte Charmaine schließlich, um die Sache zu beenden.
Colette wischte Pierre gerade den Mund ab, als sie alle zusammen das Speisezimmer betraten. Agathas Augen leuchteten auf, als sie ihren Bruder erblickte. »Oh, Robert, du bist heute ja zeitig hier.« Er erwiderte ihren Gruß mit einem Lächeln, was nur selten vorkam.
Colette richtete sich auf. »Dr. Blackford«, sagte sie leise, »ich benötige Ihre Dienste heute nicht.«
Der Mann straffte die Schultern. »Madame, ich fürchte, diese Entscheidung liegt nicht in Ihrem Ermessen«, erwiderte er sichtlich gekränkt. »Ihr Mann erwartet, dass ich Ihre Gesundheit wiederherstelle, aber das kann ich nur, wenn ich Sie regelmäßig behandle. Ich war der Annahme, Sie hätten das verstanden, als wir uns auf die wöchentlichen Besuche verständigt haben.«
»Und ich sage jetzt, was ich verstanden habe, Robert«, entgegnete Colette heftig. »Bis zu Ihrer Ankunft am vergangenen Samstag habe ich mich wohlgefühlt, doch da nach fühlte ich mich den Rest des Tages schrecklich elend. Dieser Zustand hat noch fast den ganzen Sonntag angedauert.«
Dr. Blackford war ehrlich gekränkt. Mit ernster Miene sah er Colette an. »Das muss die neue Dosierung sein. Die ist stark. Aber das muss so sein, da Sie sich ja weigern, das Mittel auch in meiner Abwesenheit zu nehmen.«
Colettes Blick schoss zu Agatha hinüber, und Dr. Blackford nickte bekräftigend. »Ja, es ist mir zu Ohren gekommen, wie widerspenstig Sie sein können. Wenn Sie vernünftig wären und das Elixier wie verschrieben einnehmen würden, könnten wir mit einer geringeren Dosis auskommen. Ich muss meine medizinischen Bücher und Zeitschriften zu Rate ziehen und sehen, was sich machen lässt.«
»Ziehen Sie zu Rate, wen oder was auch immer Sie wollen, lieber Doktor, aber heute werden Sie mich nicht behandeln.«
Agatha schnalzte mit der Zunge. »Die Gouvernante ist schuld daran.« Sie deutete auf Charmaine. »Die hat ihr den Kopf mit allerlei medizinischen Weisheiten vollgestopft.«
Colette runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Agatha. Aber ich weiß sehr genau, wie elend ich mich gefühlt habe.«
»Eben deswegen ist Robert ja hier. Denk an deine Kinder und daran, welche Auswirkungen es hat, sollte sich dein Zustand verschlimmern.«
Colette gab sich geschlagen, und Agatha nutzte das aus, um Charmaine erneut anzugehen. »Falls Miss Ryan der Meinung ist, dass mein Bruder unfähig ist, würde ich gern erfahren, womit sie das begründet.«
Jetzt ruhten aller Augen auf Charmaine. »Eine solche Behauptung habe ich niemals aufgestellt. Ich habe nur die Vermutung geäußert, dass die beste Medizin für Miss Colette vermutlich die Gesellschaft ihrer Kinder sei.«
Paul räusperte sich. »Warum verschieben wir den Besuch nicht einfach auf den kommenden Samstag, Robert? Inzwischen können Sie Ihre Bücher und Fachzeitschriften
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