Im Sommer der Sturme
wälzen und die richtige Dosierung für Colette ermitteln. Und sie kann überprüfen, wie ihr die wöchentliche Pause bekommt.«
Dr. Blackford nickte kurz, packte seine Schwester am Arm und zog sie, bevor sie noch protestieren konnte, mit sich nach draußen.
Als Colette die Haustür ins Schloss fallen hörte, seufzte sie. »Ich danke dir, Paul.«
Er lächelte zuvorkommend und kam dann auf sein Anliegen zu sprechen. »Ich habe Stephen Westphal für heute Abend zum Dinner eingeladen. Vater ist mit dem Treffen einverstanden. Ich denke, du hattest recht. Es tut ihm gut, sich wieder mit den Angelegenheiten der Insel zu befassen.«
Colettes Augen leuchteten auf. »Hat Frederic gesagt, ob er auch mit uns essen wird?«
»Davon war nicht die Rede«, sagte Paul. »Bisher jedenfalls nicht.«
Charmaine und die Mädchen hatten ungefähr eine Stunde lang zu tun, um ihre Habseligkeiten in das neue Zimmer zu räumen. Da Charmaine das Ankleidezimmer nicht benutzen wollte, ließ sie den großen Schrank von George und Travis in ihr Schlafzimmer räumen, damit sie ihre Kleidung jederzeit griffbereit hatte. Nachdem die Mädchen auch das letzte Taschentuch eingeräumt hatten, traten sie einen Schritt zurück und betrachteten ihr Werk.
Den gestrigen Tag über hatte man den Raum gelüftet, und inzwischen waren alle männlichen Attribute ver schwunden. Hauchzarte Vorhänge ersetzten die schweren Vorhänge an den französischen Fenstern, und der dunkle Quilt auf dem Bett hatte einer daunenweichen leichten Steppdecke weichen müssen. Außerdem hatte Colette auch Johnnys persönliche Sachen entfernt. Charmaine betete, dass Paul und George recht behielten und John wirklich nicht mehr nach Hause kam. Trotzdem fand sie Colettes Vermutung, dass er entsetzt wäre, wenn man seine Zimmer ausgerechnet an die Gouvernante vergeben hätte, überaus beunruhigend.
Als die Zeit des Dinners näher rückte, erklärte Colette ihren Töchtern, dass sie einen Gast erwarteten, und die Mädchen versprachen, sich gut zu benehmen. Als sie das Speisezimmer betraten, saßen Paul und Stephen bereits am Tisch. Sie hatten eine ganze Stunde in Frederics Räumen verbracht, doch wie Paul vorhergesagt hatte, kam sein Vater nicht zum Dinner herunter. Colette war verärgert, als sie sah, dass Agatha an Pauls linker Seite und gegenüber von Stephen Platz genommen hatte, sagte aber nichts. George war weniger zimperlich, als er verspätet zu Tisch kam. »Sie sitzen auf meinem Platz, Mr. Westphal«, bemerkte er taktlos.
»Aber, Mr. Richards«, entrüstete sich Agatha. »Stephen ist heute Abend Pauls Gast und hat Wichtiges mit ihm zu besprechen. Außerdem gibt es ja noch genügend andere Stühle.«
George errötete, schluckte den Protest aber hinunter. Stattdessen wählte er einen Platz in Charmaines Nähe und strafte das obere Ende der Tafel von da an mit Miss achtung. Das aufwändige Mahl wurde aufgetragen, und obgleich George den Gerichten mit Wonne zusprach, brodelte der Hass auf Agatha in ihm.
Agatha Ward – wie sehr er diese Person hasste! Solange er zurückdenken konnte, waren John und er ihr ein Dorn im Auge. Wenn sie zu Besuch auf Charmantes gewesen war, waren sie ihr nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen. Der höfliche Paul jedoch, der Augapfel seines Vaters, war vom ersten Moment an ihr Liebling. Agatha wollte sich bei Frederic einschmeicheln, und da Paul Frederics Favorit war, zog sie ihn ebenfalls den anderen vor. Aber heute schien sich etwas zusammenzubrauen! Heute? Bah! Das ging schon seit Monaten so. Vielleicht wegen Frederics Krankheit? Oder war Pauls gutes Aussehen der Grund? Verlagerte sich Agathas Aufmerksamkeit etwa vom Vater auf den Sohn? George schnaubte voller Abscheu. Sollte er den Freund warnen, bevor die Alte ihre Krallen zu tief in ihn eingrub? Wieder schnaubte er. Heute Abend hat er mich nicht verteidigt, hat die Vogelscheuche nicht in ihre Schranken verwiesen, wie John das getan hätte. Nein, ich werde nicht mit ihm über Agatha Ward sprechen.
Während das Mahl seinen Fortgang nahm, entwickelte sich eine lebhafte Unterhaltung. Die Geschäfte der Duvoisins interessierten nur am Rande, obwohl Agatha die Unterhaltung mehrfach in diese Richtung zu lenken suchte. Doch Paul mochte weder über den Ertrag der Zuckerrohrernten noch über den Schiffshandel sprechen. Irgendwann wurde klar, dass er entweder verhindern wollte, dass Agatha Genaueres über die Vorgänge auf der Insel erfuhr, oder dass er die wichtigen Einzelheiten bereits mit seinem
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