Im Sommer der Sturme
Freude.
Die Tür quietschte ein wenig, als Rose auf Zehenspitzen ins Zimmer geschlichen kam. Mit einem Blick umfasste sie das Paar auf dem Bett, und als Frederic warnend den Finger auf die Lippen legte, nickte sie nur und zog sich geräuschlos auf das Sofa im Salon zurück. Ein sanfter Friede überkam sie, und sie fragte sich, ob Gott dieses ungeheuerliche Leid nur geschickt hatte, um den Schmerz zu beenden, mit dem sich die Familie während der letzten Jahre gequält hatte. Zum ersten Mal seit Jahren schöpfte Rose wieder Hoffnung.
Auch Frederic überkam große Zufriedenheit. Er küsste seine Frau aufs Haar, legte seinen Kopf neben ihren auf das Kissen und schlief ein.
Freitag, 7. April 1837
Der Morgen dämmerte strahlend schön herauf. Der Sturm hatte Charmantes blank gefegt, und derselbe Glanz herrschte auch in den Räumen der Hausherrin. Colette ging es deutlich besser.
Als sie aufwachte, lag ihr Kopf auf Frederics Brust, und seine Arme hielten sie umfangen, während er leise schnarchte. Das Nachthemd klebte ihr am Körper, aber sie fühlte sich in der Wärme der Umarmung geborgen und schmiegte sich noch ein wenig näher an ihn. Diese Bewegung und ihr leiser Husten weckten ihn, doch bevor er noch etwas sagen konnte, drückte sie ihn an sich. Zärtlich strich er ihr über die Brauen und streichelte ihre Wangen.
Ihre Haut fühlte sich kühl an. In stummem Gebet schloss Frederic die Augen und dankte Gott, dass er sein Versprechen erhört hatte. In Zukunft wollte er keine einzige Sekunde seiner Zeit mit dieser Frau mehr verschwenden.
Es klopfte, doch als er sich bewegen wollte, hielt Colette ihn fest. Er lächelte auf sie hinunter.
»Sag allen, sie sollen gehen«, flüsterte sie.
Seine Finger umfassten ihr Kinn und drückten ihren Kopf tiefer in seine Armbeuge. Dann beugte er sich über sie und küsste ihre aufgesprungenen Lippen. Als er sich von ihr löste, verzog sie das Gesicht.
»Ich werde dich keine Sekunde mehr allein lassen, ma précieuse «, versprach er. »Nie mehr.«
Die vertraute zärtliche Anrede, die sie so lange Jahre nicht mehr gehört hatte, trieb ihr die Tränen in die Augen.
Rose und Paul schauten durch die Tür. »Wie geht es ihr?«
»Besser«, antwortete Frederic. »Das Fieber hat während der Nacht den Höhepunkt überschritten.«
»Gott sei Dank.«
Frederic nickte. »Rose, könnte Fatima vielleicht eine Brühe zubereiten? Etwas Leichtes? Colette hat seit Tagen nichts mehr gegessen. Und du, Paul, kannst den Kindern ausrichten, dass sie ihre Mama später am Vormittag besuchen dürfen. Der gestrige Abend war schrecklich für sie.«
»Und was ist mit dir?«, fragte Paul. »Wie geht es dir? Möchtest du nicht auch etwas essen? Oder dich ein bisschen ausruhen?«
Frederic schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich ganz wunderbar. Ich bleibe genau hier, wo ich bin.«
Verwirrt runzelte Paul die Stirn. Eigentlich müsste sein Vater müde sein, aber stattdessen strotzte er vor Energie und schien sichtlich erleichtert zu sein. Rose schien es ebenfalls bemerkt zu haben, denn als sie sich zurückzogen, summte sie leise vor sich hin.
Schon auf dem Gang kehrten Pauls Gedanken wieder zu seinen Pflichten zurück. Womöglich konnte er sogar die angeworbenen Männer gleich heute, wie verabredet, auf die Insel Espoir bringen und musste die Sache nicht aufschieben, wie er anfangs befürchtet hatte.
Charmaine und die Kinder saßen gerade beim Frühstück, als er ihnen die wunderbare Nachricht über brachte. Die Zwillinge waren sofort wie ausgewechselt und schmiedeten bereits Pläne. Doch Charmaines Freude ebbte ein wenig ab, als Paul erwähnte, dass er den restlichen Tag und die kommende Nacht auf Espoir verbringen würde. Da es Colette besser ging, wollte er wenigstens seine Männer auf die Insel übersetzen, damit sie sich häuslich einrichten konnten. Doch nach dem Alptraum seiner dreimonatigen Abwesenheit fürchtete Charmaine, dass es vielleicht Folgen nach sich zog, wenn Paul die Familie so schnell wieder verließ.
Als Agatha und Robert das Speisezimmer betraten, wuchs ihre Angst noch, denn ihre ernsten Mienen überschatteten die Freude der Kinder.
Paul lehnte sich zurück und sah Robert entgegen. »Das Fieber ist gesunken.«
Überrascht schossen Blackfords Brauen in die Höhe. »Muss ich mich vielleicht bei Rose Richards für ihre pflegerischen Fähigkeiten bedanken?«
»Das ist unnötig, da sich mein Vater um Colette gekümmert hat. Wie man sieht, hat sie nur ihn gebraucht.«
»Ich möchte
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