Im Sturm der Sinne
edler Ritter in Sicht. Langsam hatte sie das Gefühl, dass ihr der Zauberer, der ihr das Buch überlassen hatte, übel mitgespielt hatte. Irgendjemand musste ihr zu Hilfe eilen!
Jetzt
wäre es schön.
Sie rang sich ein Lächeln ab, in der Hoffnung, Niall würde seinen Griff lockern, bevor sie hörte, wie etwas brach oder riss. Diese Strategie funktionierte, und sie bewegte versuchsweise ihr Handgelenk. »Angus hat mir gesagt, Ihr seid der Sohn eines irischen Königs. Es gibt sicher viele Frauen, die Euch liebend gerne heiraten würden. Frauen, die sich Euch willig hingeben.«
Bei dieser Bemerkung zog er die Augenbrauen hoch und stieß ein böses, gurgelndes Lachen hervor. »Ja. Mehr als genug sind willig. Aber du bist es, die
ich
will.«
Deidre biss die Zähne zusammen. Das wurde langsam anstrengend. »Warum?«
Er beugte sich näher zu ihr, und sie konnte den Whisky in seinem Atem riechen. Sie zwang sich, nicht das Gesicht zu verziehen. Wenn er nur seinen Griff noch etwas weiter lockern würde …
»Weil ich gern wilde Stuten zähme. Letzte Nacht warst du sehr temperamentvoll, und das Bogenschießen heute Morgen hat mich heiß gemacht. Du wirst mein Bett sicher gut wärmen.«
»Ich habe nicht vor, Euer Bett zu wärmen!« Deidre schluckte ein Wimmern, als er ihren Arm ergriff und ihn fast brach.
»Ach tatsächlich? Ich habe mich von Angus überreden lassen, bis Lugnasad nicht mit dir das Bett zu teilen, aber von einem kleinen Kuss meiner Braut hat er nichts gesagt.«
Wieder rieb er seine Bartstoppeln an ihrer Wange und suchte ihren Mund.
Deidre riss ihren Kopf zur Seite und drückte ihn mit aller Kraft von sich. »Hört auf! Lasst mich los!«
»Du hast die Lady gehört.«
Gilead. Deidre wäre vor Erleichterung fast in Ohnmacht gefallen. Ihr Ritter war doch noch gekommen.
Niall löste sich langsam von ihr und starrte Gilead durch schmale Augenschlitze an. »Sei auf der Hut, mein Freund. Das ist schon das zweite Mal, dass du dich zwischen mich und das, was ich will, stellst.«
Gilead stand ruhig da und hielt Nialls Blick stand. »Ich glaube, es ist aber nicht das, was diese Lady will.« Er wandte sich an Deidre. »Willst du mit diesem Mann tanzen?«
Benommen schüttelte sie den Kopf und fand endlich ihre Stimme wieder. »Ich … ich brauche etwas frische Luft, glaube ich.«
Er nickte. »Ich werde dich begleiten.« Gilead nahm ihre Hand und hängte sie sich an seinen Arm. Seine Finger fühlten sich stark, warm und beruhigend an.
»Danke«, sagte Deidre, als sie in die kühle Nachtluft hinaustraten.
Er schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Du hast nicht gewirkt, als würde es dir gefallen.«
Unwillkürlich erschauerte sie. Das war nur ganz leicht untertrieben …
»Ist dir kalt?« Ohne auf eine Antwort zu warten, schlüpfte er aus seiner Jacke und legte sie ihr um die Schultern.
Sein Rock umhüllte sie. Sein sauberer, herber Geruch stieg ihr in die Nase und wiegte sie in einem Kokon der Sicherheit. Ein warmes Glühen breitete sich in ihr aus.
»Wollen wir auf die Festungsmauer steigen?«, fragte er. »Man hat eine wunderbare Aussicht in einer klaren Nacht wie dieser.«
Deidre nickte, und sie stiegen die Treppen hinauf. Oben angekommen stützten sie sich mit den Armen auf die Scharten zwischen den Mauerzacken. Am Himmel war der Vollmond aufgegangen und tauchte die sich vor ihnen ausbreitende Landschaft in sein silbernes Licht. Ihre Augen folgten der hellen sich windenden Straße, die zu dem schmalen Pfad führte, der in Richtung des Waldes abging, wo letzte Nacht das Bonfire stattgefunden hatte.
Sie trank gleichsam den Geruch der nächtlichen Kiefern und beobachtete eine Eule, die still von einem der Türme aus an ihnen vorüberglitt.
»Es ist so friedlich hier«, sagte sie.
»Ja«, Gileads Blick war in die Ferne gewandert. »So wird es nicht mehr allzu lange bleiben, wenn es nach Fergus geht.«
»Euer Vater sprach von ihm«, sagte Deidre. »Ist er denn so mächtig?«
Er schaute zu ihr hinab, seine Augen leuchteten wie Mitternachtssaphire. »Mein Vater hat Meldungen von unseren Kundschaftern, dass Fergus seine Truppen zusammenzieht. Das heißt, dass er bald losmarschieren wird. Wahrscheinlich noch diesen Sommer. Deshalb ist Turius hier. Vor ein paar Jahren hat er sehr erfolgreich den Caledonian Forest von den Sachsen befreit. Die Menschen dort werden, wenn schon nicht zu meinem Vater, dann auf jeden Fall zu ihm halten, weil er sie ihr Land behalten ließ. Und er kennt die besten Stellen für
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