Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
fallen.
»Könnte sein. Ich weiß nicht.«
Unten auf dem Feld entglitt den Peepers das Spiel. Nicole saß auf der Bank, um sich eine Verschnaufpause zu gönnen, und unterm Ring setzten sich die langen Ladys vom Bowl’n Brew durch. In der Verteidigung hatten die Peepers immer öfter nur ein hilfloses Lachen aufzubieten, am Ball fehlte ihnen der Kampfgeist, und sie schafften es nicht, eine Offensive zu organisieren, abgesehen von Alleingängen, die nur darauf gerichtet waren, sich spektakulär in Szene zu setzen. Zur Halbzeit lagen die Peepers vierzehn Punkte hinten. Die beiden Teams hatten sich an entgegengesetzten Enden der Halle versammelt. Einige wenige Stimmen meldeten sich mit lautstarkem Rat für die Verzweifelten. Wechselweise gingen Spielerinnen beider Teams schleppend an den Trinkbrunnen.
»Ich glaub, ich geh heim«, sagte John X und reckte sich. »Ist sowieso kein dolles Spiel.« Er steckte die Hände in die Taschen des Jacketts, das er von einem Toten hatte, und sah seinen Sohn an. »Aber hör mal, Rene – zwei Dinge gibt es, die ich in meinem Leben nie tun wollte, und beide hab ich getan. Ja, hab ich. Das eine war, zu heiraten, und das zweite war, noch mal zu heiraten. Beide Male kam ich mir vor wie im Gefängnis, eben wegen einer falschen Entscheidung, klar? Ich hätte ein Bild von Betty Grable an die Wand malen und durch ihre Spalte kriechen müssen, um auszubrechen.«
»Was redest du denn da? Du bist legal mit Ettas Mom verheiratet?«
»Natürlich bin ich das.«
Shade konnte seinen Dad nur fassungslos anstarren. »Scheiße, heißt das, du bist zu allem, was du sonst noch bist, obendrein ein Bigamist?«
»Also, das glaub ich nicht, Sohn.«
»Das bist du aber, wenn du noch mit einer anderen Frau verheiratet bist, neben Mom.«
»Nicht neben, Sohn – nach.«
»Wovon redest du? Das hat Ma aber anders erzählt. Ihr zwei wurdet doch nie geschieden.«
»Tatsächlich? Das hat sie gesagt?« Zittrig zündete John X sich noch einen Glimmstengel an. »Himmel auch, das ist ja mächtig romantisch von ihr, Sohn. Ich ahne, wie sie’s euch Jungs weisgemacht hat. Trifft mich auch nicht sonderlich. Für so was hatte sie schon immer Talent, verstehst du? Aber in Wirklichkeit hat sie sich von mir scheiden lassen, nachdem ich mich vom Acker gemacht hatte. Tja, die Scheidungspapiere haben mich an jenem Abend eingeholt, als ich gekommen bin, um bei diesem Kampf von dir in Tampa zuzusehen. Du musst ihr erzählt haben, dass ich aufkreuzen würde.«
»Kann schon sein«, sagte Shade.
»Criminentlies, erinnerst du dich noch an den Kampf, Sohn?«
Shade hob die Finger an seine gebrochene Nase. »Da hatten sie mich gegen dieses Bürschchen aufgestellt … Wolburn. Tom–Tom Wolburn. Er war schnell und wurde erst spät müde.«
»Ich erinnere mich«, sagte John X. »Er war der reinste Irrwisch im Ring. Hat dir mit seinen Jabs zugesetzt, bis dir sämtliche Gesichtszüge entgleist sind. Pop-pop-pop. Hat den Handschuh den ganzen Abend nicht von deiner Nase genommen.«
»Quatsch«, widersprach Shade. »Hackfleisch hab ich aus dem gemacht. Zwei Tage war er im Krankenhaus, weil er Blut pissen musste. Dem hab ich die beschissene Birne doch zu Brei gekloppt.«
John X zuckte die Achseln.
»Ich fand, das war ein Unentschieden.«
»Unentschieden? Gewonnen hab ich den Kampf.«
»Nein.«
» Ich war der Meinung, ich hätte ihn gewonnen.«
»Nein«, sagte John X und schüttelte entschieden den Kopf. »Du hast ihn nicht gewonnen, Sohn, auf keinen Fall, aber sie hätten ein Unentschieden geben können.«
Rauch kräuselte über den beiden Männern.
Dann nickte Shade, lächelte und gab zu: »Seine beschissenen Jabs waren echt saubere Schläge. Ich hatte nichts dagegenzusetzen und keine Chance, ihm auszuweichen. Tänzeln, pendeln, finten, was ich auch machte, gegen seinen verschissenen Jab war kein Kraut gewachsen.«
John X nahm einen langen, langsamen Zug von seiner Zigarette. Während er den Rauch wieder ausblies, schnippte er die Kippe durch eine Ritze in der Tribüne. »Dann haben wir also doch denselben Kampf gesehen, Sohn. Mit Ehrlichkeit lässt sich mancher Gram und Groll wegspülen, wenn du dich erst mal drauf einlässt. Lass das mal sacken.« Er taumelte, als er aufstand, und Shade hörte es in den Knien seines Vaters knirschen. »Diese billigen Tribünenplätze sind die Hölle für alte Männer.« John X tätschelte Shade den Rücken und stakste dann ein Stück den Gang zwischen den Bänken hinunter. »Du musst dich
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