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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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Urinflasche und sein Glas umkippten. Wasser rann auf den Boden hinab. »Verdammt noch mal, ich werde in keinem Krankenhaus sterben! Ich will nach Hause!«
    »Also schön, Dad«, sagte Val. »Wenn es das ist, was du willst, werde ich mich darum kümmern.«
    »Niemand fragt mich, was ich will«, beschwerte sich meine Mutter. »Ich will, dass er weiterlebt! Er wird zu Hause nicht gesund werden.«
    Mein Vater ergriff die Hand meiner Mutter. »Du erinnerst dich, wie Valentine von uns gegangen ist?«
    Ich hatte Onkel Valentine während seiner tödlichen Krankheit mit meiner Mutter im Krankenhaus besucht. Er hatte zusammengerollt dagelegen. Sein Körper war schrecklich abgemagert gewesen und hatte in keinem Verhältnis zu seinem Kopf gestanden, ähnlich einem Fötus. Meine Mutter hatte ihm die Decke über die Brust gezogen, und wir hatten eine Zeitlang an seinem Bett verharrt und ihm zugehört, wie er etwas auf Schwedisch flüsterte. »Was sagt er da?«, wollte ich wissen.
    »Das weiß ich nicht.« Sie nahm seine Bürste vom Nachttisch und kämmte ihm das Haar auf die gleiche Art, wie sie es mir so oft gebürstet hatte. Nicht um ihn herauszuputzen, sondern um mich und sie selbst zu trösten. Valentines Haar war im Laufe seiner Krankheit lang geworden, und seine weißen
Locken fielen ihm über die Schultern, während meine Mutter ihn kämmte. »Die Menschen kehren vor ihrem Tod oft in ihre Vergangenheit zurück«, erklärte sie. »Er durchlebt wohl gerade seine Kindheit und unterhält sich mit seiner Familie.«
    Valentine hatte mir oft Geschichten aus seiner Kindheit in Lappland erzählt, auch von den Sami in ihrer reich geschmückten blauen, gelben und roten Kleidung, wie sie im Winter eine Rentierherde auf der Farm seines Vaters hüteten, in Zelten auf den schneebedeckten Feldern wohnten und Heu von seinem Vater kauften, um die Rentiere zu füttern. Die Familien bewegten sich auf Skiern und Pulkas fort, Schlitten, die von Hierkes , kastrierten Rentieren, gezogen wurden. »Sie sind wie der Teufel gefahren«, hatte Valentine gesagt.
    Als Kind hatte ich mir immer vorgestellt, eine der Sami auf einem Schlitten zu sein und die Zügel des Rentiers zu umklammern, während es schnaubend durch den tiefen Schnee lief und sein Atem in der Nachtluft unter den Sternen und dem Polarlicht in Dampfwolken aufstieg. Mir gefiel der Gedanke, dass Valentine zu dieser Winterlandschaft zurückgekehrt war und mit den Sami über den Schnee in eine endlose, klare Nacht flog.
    »Ich würde es hassen, so wie er langsam wegzudämmern«, sagte mein Vater, »und Monate im Krankenhaus zu verbringen und wegen der schrecklichen Schmerzen mit Drogen vollgepumpt zu werden. Ich will, dass es schnell vorbeigeht.«
    »Ich kann ein Krankenhausbett auftreiben«, sagte Val, »und Schwestern besorgen, die mich unterstützen. Du kriegst die Pflege, die du brauchst.«
    »Und wenn das Feuer gefährlich nah kommt?«, fragte ich.
    »Dann werden wir Dad in den Pick-up rollen und ihn so schnell wie möglich wegbringen.«
    »Du musst arbeiten.«

    »Ich nehme mir frei.« Val legte unserem Vater eine Hand auf die Schulter. »Ich brauche einen Tag, um alles zu organisieren. In der Zwischenzeit macht ihr etwas Platz für das Krankenhausbett. Aber ich bringe dich nach Hause, Dad. In Ordnung?«
    Mein Vater, der immer noch die Hand meiner Mutter hielt, lehnte sich in den Kissen zurück. »In Ordnung.«

7.
    NACHDEM WIR DIE Fuhre bei Val in Canoe abgeladen hatten und nun Richtung Salmon Arm fuhren, zeigte Ezra mit einem verärgerten Kopfnicken auf einen SUV, der äußerst dicht auffuhr. »Sie sollten mal große Schilder zusammenhämmern, die man an seinen Pick-up schrauben kann«, sagte er. »Damit für das Auto hinter einem Botschaften aufleuchten wie Zieh Leine, Arschloch !«
    Ich warf Jeremy und meiner Mutter einen raschen Blick zu und schaute dann erleichtert weg. Sie hatten Ezra nicht gehört. Er verhielt sich so, wenn er müde war. Ich wusste, dass er in diesem Zustand nicht fahren sollte und wir eine Katastrophe heraufbeschworen, aber ich hatte Angst, das Lenkrad zu übernehmen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen ich einfach durch die Gegend gefahren war, ohne ein besonderes Ziel vor Augen zu haben - allein aus Freude am Fahren. Doch nach Ezras Schlaganfall war es für uns beide wichtig gewesen, dass er in einem Bereich unseres gemeinsamen Lebens das Sagen hatte. Als er seine Fahrerlaubnis zurückbekam, war er derjenige, der am Steuer saß. Mit Landstraßen und kleinen,

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