Im Tal des Vajont
Hitzeschlag gewesen, und er möge mir doch den Wein bringen, dann wäre alles wieder gut. In zwei Zügen hatte ich den halben Liter ausgetrunken und bestellte gleich einen weiteren Halben. Dabei fixierte ich den Stock, als wäre es der Teufel selbst, herausgefahren aus der Hölle, um mich mitzunehmen. Zwar merkte der Wirt, dass ich unentwegt an die Wand mit dem Stock starrte, er sagte aber nichts. Als mich schließlich der zweite halbe Liter ein wenig beruhigt hatte, fragte ich den Wirt ganz naiv, wer wohl diesen so gut gearbeiteten Stock gemacht habe, und ich merkte, wie meine Stimme und auch meine Hände dabei zitterten. Der Mann setzte sich, ebenfalls mit einem Krug in der Hand, neben mich und erzählte, sein Neffe habe ihn am Kiesufer des Tagliamento gefunden, während er dort zum Fischen mit Freunden unterwegs war. Ich verzog keine Miene und sagte nichts, aber dachte gleich, dass ich jetzt so gut wie tot sei, denn der Stock war mich holen gekommen. Vom Grund der Foiba des Cornettobergs war er mit den unterirdischen Höllenströmen durch die schwarzen Schläuche der Erde bis hier unten ins untere Friaul gekommen, nach Camino am Tagliamento, nah der Grenze zu Venezien, und hatte mich gefunden. Während er sprach, war der Wirt aufgestanden und hatte den Stock von der Wand genommen, um ihn mir aus der Nähe zu zeigen, aber ich fasste ihn nicht an, lieber wäre ich gestorben. Er schien mir so glühendheiß wie jene Eisen, welche Bastianin im Schmiedefeuer weiß werden ließ.
Ich zitterte um mein Leben, als ich den Stock so dicht vor mir sah, und es war bereits das Herz eines Toten, das in mir schlug. Ich wagte sogar, »schön« zu sagen, während der Wirt sich laut fragte, wer dieser Martinelli Raggio sein könnte, der ihn verloren hatte, und wo er jetzt wohl wäre. Und er vermutete, dass er vielleicht einem Hirten gehörte, der im Winter hier durchzog, denn in der schlechten Jahreszeit überwinterten hier gern die Schafhirten.
Armer Wirt, wenn er gewusst hätte, wie gut ich den Herrn dieses Holzprügels kannte, wenn er die ganze Geschichte von Raggio und mir wüsste, vom Tod, der an meiner Seite ging und sich dabei auf diesen Stock stützte!
Aber auch wenn ich ihm die Geschichte erzählt hätte, er hätte sie nicht geglaubt.
Da er den Stock weiter so dicht neben mir in der Hand behielt und ich immer noch zittern musste, sagte ich ihm schließlich, er könne ihn ruhig wieder an die Wand zurückhängen, denn er würde mich nicht mehr sonderlich interessieren. Also hängte er ihn wieder an seinen Platz zurück, und da das Zittern und Schwitzen nicht aufhörte, sagte er mir von Neuem, es müsse mir ja wirklich schlecht gehen, und gab mir noch ein wenig mehr Wein.
Ich trank den restlichen Wein aus, zahlte die Rechnung, nahm meinen Korb und ging zur Tür nach draußen. Der Wirt schickte mir noch nach, ich solle mich ausruhen gehen, denn ich sähe wirklich schlecht aus. Beim Zahlen hatte er gesehen, dass meine Hände wie Blätter im Wind zitterten und mein Gesicht so weiß war, dass Schnee dagegen schwarz aussieht. Das waren jedenfalls seine Worte, und er wiederholte noch einmal, ich solle mich ausruhen gehen, ich sei ja so weiß, dass einem angst und bange würde.
Ganz langsam kehrte ich zum Hof des Padrone nach San Michele zurück, und kaum war ich mit dem Karren durch das Tor, kam sie mir entgegen und bemerkte gleich, dass ich nicht mehr recht bei mir war. Sie fragte, was geschehen sei, und ich erwiderte, dass vielleicht ein Sonnenstich mich so blass und schwach aussehen ließ. Der Padrone riet mir, mich ins Bett zu legen, aber ich brauchte kein Bett, mir reichte das Stroh im Stall, um mich wieder zu erholen.
Nur um einen Gefallen bat ich ihn, ob er mir nicht zwei, drei Schulhefte besorgen könnte, denn ich wollte gerne einige Dinge aufschreiben, die mir durch den Kopf gingen und die ich nicht vergessen wollte. Er ging ins Haus und kam kurz darauf mit einem großen, schwarzen Heft zurück, welches, wie er mir erklärte, in der Käserei zum Buchführen dient. Er wollte mir auch einen Bleistift dazugeben, denn ohne Bleistift wäre das Heft ja unnütz, aber ich hatte selbst auch einen, mit dem ich die Preise auf die Holzsachen schrieb. Und so bedankte ich mich bei ihm und ging sofort in den Stall, um alles wahrheitsgemäß aufzuschreiben, denn ich wollte mich von meiner inneren Last befreien, bevor ich tun würde, was ich tun musste. Fast ohne zu schlafen schrieb ich zwei Tage und Nächte in das Heft, wie alles
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