Im Tempel des Regengottes
hineinging. Nachdem er ein Dutzend Schritte getan hatte, trat er hinter einen wuchtigen Zapotebaum und blieb reglos stehen. Die Priester, die Ja'much mit seiner Bewachung beauftragt hatte, mußten annehmen, daß er sich erleichtern wollte, was auch zutraf, allerdings suchte er eher seelische Erleichterung, einen Moment der Ruhe, in dem einmal nicht fünfhundert Augenpaare mit finsteren und fordernden Blicken auf ihm hafteten.
Bis vor einer halben Stunde hatte es wieder heftig geregnet wie an jedem frühen Nachmittag, begleitet von Donnerschlägen und gewaltigen Blitzen, die den Himmel mit gleißendem Geäder überzogen. Der Wald um ihn herum dampfte noch immer vor Nässe, und ein intensiver Geruch nach modernden Pilzen und gärenden Früchten erfüllte die Luft. Nebelschleier schwebten zwischen Buschwerk und Bäumen und wallten über den Boden, der mit fauligem Laub und verwesenden Papayas bedeckt war. Als Robert den Kopf hob, stand auf einmal die junge India vor ihm.
Ihr Anblick traf ihn wie ein Schlag, ein spielerischer, erregender Hieb. Sie stand zwischen zwei schlanken Palmen, keine fünf Schritte vor ihm, umwallt von Nebelschwaden, aber ihm war, als schaute sie ihn unverwandt an, mit ernstem, drängendem Blick. Dann wandte sie sich um und verschwand im Dickicht, und Robert eilte, ohne sich zu besinnen, hinter ihr her.
9
Er trat zwischen den Palmen hindurch und fand sich auf einem schmalen Pfad, kaum zwei Fuß breit, von hohem Dickicht gesäumt. Der Pfad schlängelte sich durchs Unterholz, in dampfigem Zwielicht, so daß man keine zwei Schritte weit sehen konnte. Doch weiter vorn glaubte er nun einen weißlichen Schemen auszumachen, ihre Gestalt in der Tunika des einfachen Volkes, auch ihr Kopf mit weißem Tuch verhüllt. Robert beschleunigte seine Schritte und stolperte, ohne länger auf Schlangen oder Skorpione zu achten, weiter den Pfad entlang.
Immer dicker wurde der Nebel, immer dichter das Zweigwerk, so daß Düsternis ihn umfing wie kurz vor Einbruch der Nacht. Er überlegte schon, ob er umkehren sollte, aber er war ihr noch nie so nahe gewesen, seine Chance, sie wirklich zu treffen, mit seinen Händen zu berühren, niemals größer als in diesem Moment. So taumelte er weiter voran und gelangte schließlich auf einen kleinen, runden Platz, der ringsum, wie eine lebendige Kammer, von Wänden aus fleischigem Blattwerk umschlossen war. Und inmitten der Kammer stand sie, in weißem Gewand, das auch ihr Haar bedeckte, umhüllt von Düsternis und Nebel, so daß ihr Gesicht verborgen war. Doch sie streckte ihm die Arme entgegen, ihre Hände lockend geöffnet, und er ergriff sie, mit einem Schauder, und ließ sich zu ihr heranziehen und umfing ihre hohe Gestalt, die sich an ihn herandrängte, ein schlanker Leib von heißer, unzweifelhafter Wirklichkeit.
Sein Mund berührte ihre Lippen, die sich feucht und weich anfühlten. Er hörte seinen heftigen Atem und den trommelnden Herzschlag in seiner Brust. Flüchtig wunderte er sich, wie schmiegsam ihre Hände über seinen Leib glitten, wie kundig sie ihre Wege suchten. Doch er vergaß sein Erstaunen und überließ sich dem Taumel, dem hitzigen Spiel der Lippen und Hände, der Arme und Schenkel, als sie ihn auf den Boden hinabzog, in ein Bett aus Moder und Moos. Ihr Gewand war emporgeglitten, ihren Leib bis zu den Brüsten entblößend. Er konnte sie nicht sehen, nur fühlen, denn Düsterkeit und Nebel schienen immer weiter zuzune hmen, und zudem drückte sie sein Gesicht in ihre Halsbeuge, mit festem Griff um sein Genick. Aber er fühlte ihre Brüste unter seinem Brustkorb und ihre Hüften und Schenkel, die sich unter ihm bewegten, und ihm war, als ob in ihm ein Schrei anwüchse, der gleich explodieren würde, während sie den Schurz um seine Lenden öffnete und mit kundigen Fingern nach ihm griff.
»Robert«, sagte sie, mit harter, atemloser Stimme, und für einen Moment glaubte er wahrhaftig, in Marys Armen zu liegen. Da hob er seinen Kopf, gegen den Druck ihrer Hand, die ihn nicht lassen wollte. Aus drei Zoll Entfernung sah er in ihr Gesicht, die grünen, katzenhaft schrägen Augen, und spürte, wie sie unter ihm erstarrte, tatsächlich wie Mary, wie ein Holzstück, dachte er.
Er wand sich aus ihrer Umarmung und stand auf. Der um sie herum wallende Nebel schien bis in seinen Kopf vorgedrungen, jedenfalls gelang es ihm nicht, einen klaren Gedanken zu fassen. Gern wäre er wütend auf sie gewesen, aber er spürte keinen Zorn, nur schmerzliche
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