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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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emporragenden Rüsselnase und dem grausam lüsternen Mund. Ajkinsajs Haar war bereits ergraut, obwohl sein Gesicht noch nicht alt aussah, mit sinnlichen Lippen und fleischigen Wangen unter großen, ein wenig hervorquellenden Augen, die ihn mit niederdrückender Feindseligkeit fixierten. Tatsächlich war Ajkinsajs Miene verzerrt vor Haß, dachte Robert, seine ganze Haltung wirkte so angespannt, als könnte nur äußerste Selbstbeherrschung ihn hindern, sich mit geballten Fäusten von seinem Thron herab auf ihn zu stürzen.
    Ajkinsaj hob den roten Stab und schwenkte ihn in Roberts Richtung. »Ajpoch' Maya'ib, xonpiix!« Seine Stimme grollte wie Donner, und seine schwarzen Augen schienen sich noch weiter zu verdunkeln vor Zorn.
    »Vernichter der Maya, auf die Knie.« Henry, der sich hinter Roberts Rücken versteckte, wisperte so leise, daß kaum etwas zu verstehen war.
    »Beuge dein Haupt, zweimal zehntausendfacher Mörder! Du und deine Gehilfen - auf die Knie mit euch!«
    Zweimal zehntausendfacher Mörder? Die unerwartete Schmähung erschreckte ihn, doch beinahe mehr noch beunruhigte ihn der Befehl, vor Ajkinsaj niederzuknien.
    Benommen erwiderte er den Blick des obersten Priesters, der ihn unverwandt fixierte. Wieder war ihm für einen Moment, als ob er Grimaldi gegenüberstünde, als hätte der Magnetiseur nun endlich die Maske fallen gelassen und zeigte sich in seiner wirklichen Gestalt. Er wird uns alle zu Tode bringen, dachte Robert und spürte einen heftigen Schauder, wie von einer eiskalten Hand, die Wirbelsäule hinab.
    »Auf die Knie mit euch!« Die jungen Priester hinter ihnen hielten plötzlich Knüppel in den Händen. »Xonpiix!« Die hölzernen Prügel sausten auf Stephens, Miriams und Pauls Schultern nieder, so daß die Gefährten stöhnend zu Boden sanken. Ajkech, Mabo und Henry dagegen waren gleich auf die Knie gefallen, links und rechts von Robert, der erschrocken um sich sah. Mehrere weitere Priester in grauen Gewändern eilten aus dem Halbdunkel herbei und umringten ihn drohend, doch anscheinend wagten sie nicht, den Gesandten ihrer Götter auch nur anzurühren. So blieb er als einziger im Kreis der knienden Gefährten aufrecht stehen.
    Abermals sah er zum obersten Regengottpriester hinauf. »Der Bote der Götter«, sagte er, viel leiser, als er beabsichtigt hatte, »kniet vor niemandem nieder, außer vor den Mächten, die ihn berufen haben.« Er machte eine Armbewegung zu seinem Diener hin, ohne Ajkinsaj aus dem Blick zu lassen.
    Henry übersetzte, neben Robert kniend und mit zitternder Stimme. Ajkinsaj glotzte ihn an, und es schien Robert, als ob ein düsteres Grinsen über sein Gesicht ginge, unheilvoller noch als vorher sein donnernder Groll. Aber das mochte Täuschung gewesen sein, nur einen Lidschlag später war seine Miene wieder finster und so reglos wie Stein.
    »Du bist also wahrhaftig zurückgekehrt, Ajpoch' Maya'ib. Wie es seit neun Katuns prophezeit worden ist.« Ajkinsaj sank auf seinen Thron zurück, und seine Stimme klang auf einmal müde. Wieder hob er den roten Stab und deutete auf Robert, der mit schmerzhaft verkrampftem Nacken zu ihm aufsah.
    »Zurückgekehrt, um deine Schuld zu tilgen?«
    Was sollte er darauf antworten? Seine Schuld eingestehen, die seines Vor-und Doppelgängers, genauer gesagt? Es schien ihm wenig ratsam, zumal nach der rätselhaften Schmähung, »zweimal zehntausendfacher Mörder der Maya«, mit der Ajkinsaj ihn empfangen hatte. »Du weißt es, Herrscher von Kantunmak«, antwortete er deshalb nur, »die Götter haben mich gesandt, euch in die Schlacht zu führen.«
    Henry übersetzte mit zitternder Stimme, doch Ajkinsaj schien seine Worte kaum zu beachten. Die Miene des obersten Priesters hatte sich noch weiter verdüstert, soweit das überhaupt möglich war, und Robert fragte sich mit wachsender Unruhe, weshalb Ajkinsaj einen so maßlosen Haß gegen ihn zu hegen schien.
    »Zurückgekehrt, Ajpoch' Maya'ib, um unsere Toten zu rächen, den sechsmal zwanzigtausendfältigen Schmerz unseres Volkes?« Und Ajkinsaj starrte ihn an, mit Augen voller Haß und Ingrimm, bis Robert es nicht länger ertrug und ihm zunickte, mehrfach, wie im Krampf.
    »Zurückgekehrt, Ajpoch' Maya'ib, um die Folterung unserer Priester und die Vernichtung unserer heiligen Bücher zu rächen, die zu zweimal zwanzigtausend von den bleichen Invasoren verbrannt worden sind?«
    Die Stimme grollte auf ihn herab, zornig und zugleich eigentümlich müde, und wieder nickte Robert, aber er brachte es

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