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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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einen Herzschlag, dann setzten sie wieder ein, leiser jetzt, holpernd und hastig wie ein aufgeregtes Herz. In den drängenden Rhythmus mischten sich langgezogene Klänge, hochtönig, schrill wie von geborstenen Flöten. Robert wandte den Kopf nach links, zu den Trommlern über ihm auf dem Mauersims, und erkannte in jäher Bestürzung, daß die Hälfte von ihnen nun leuchtend rote Stäbe in Händen hielt, von der Länge und Dicke eines Kinderarms, wie jener Stab, den Ajkinsaj im Thronsaal geschwenkt hatte. Offenbar waren es beinerne Flöten, und indem die Priester in die schmaleren Enden der Knochenstäbe bliesen, erzeugten sie jene schrillen, langgezogenen Töne, die schwankend die Oktaven empor und wieder hinabschleiften, wie die widrigen Schreie wilder Hunde, die zuweilen in mondhellen Dschungelnächten erklangen.
    »Die geheimen Weisheitsworte der Bücherpriester sind in alle Winde verstreut, aber durch dich, Bote der Götter, werden sie wieder in heiligen Büchertempeln versammelt werden.« So holpernd und jagend wie die Trommeln, so verwaschen wie das Winseln der Knochenflöten klangen nun auch die rituellen Ausrufe der Priester. Aber Robert nahm es nur am Rande wahr, gebannt vom Anblick der Trommler und Flötenspieler hoch über ihm auf dem Mauersims. Es waren allesamt noch junge Männer, nackt bis auf den grauen Schurz, mit glatten Gesichtern, großen Augen, deren Blick leuchtend und leer über ihn hinwegging. Die Leiber der Trommler glänzten vor Schweiß, die Flötisten wiegten sich im Bann ihrer fatalen Melodien, und mit jedem Trommelschlag, jedem winselnden Knochenton sanken sie anscheinend noch tiefer in Trance. Auch die Trommeln, dachte Robert, waren offenbar aus Knochen gefertigt, beinerne Gefäße, rund wie menschliche Beckenknochen und mit gegerbten Häuten bespannt.
    »Die göttlichen Formeln der Sternenpriester sind unter allen Himmeln verstreut, aber durch dich, Bote der Götter, werden sie wieder in heiligen Observatorien versammelt werden.« Hinter Roberts Rücken schnaubte und scharrte der Wallach, und Henry übersetzte in besänftigendem Singsang, als wären seine Worte, die rituellen Rufe der Priester, nicht für ihn, sondern einzig für das scheuende Pferd bestimmt. Gewaltsam riß sich Robert vom Anblick der schwingenden, schlagenden, sich wiegenden Musiker und ihrer grausigen Instrumente los. Blinzelnd sah er wieder nach vorn, zu den Reihen der grauen Priester, und zwinkerte mehrmals heftig mit den Augen, gegen den Schweiß, das grelle Licht, aber mehr noch in ungläubigem Erstaunen.
    »Das geheime Wissen der Pyramidenerbauer ist in allen Steinbrüchen verstreut, aber durch dich, Bote der Götter, wird es in heiligen Feigenbastbüchern aufs neue versammelt werden.« Noch immer standen die Priester in halbkreisförmigen Staffeln vor ihm, und nach wie vor brachen sie ein ums andere Mal in rituelle Anrufungen aus. Aus ihren Mündern aber hingen, vollkommen rätselhafterweise, strahlend weiße Papierbänder heraus, die mit schwarzen Glyphen beschriftet waren. Die Bänder waren mehr als daumenbreit und mochten drei Fuß in der Länge messen, sie flatterten im leichten Wind, und Robert versuchte sie in den Blick zu fassen, blinzelnd und überhaupt nichts mehr begreifend. Der Schweiß lief ihm über Gesicht und Brust, die Priester riefen, die zehntausendäugige Menge starrte ihn an, wie er an die Stele gebunden stand, wirrbärtig, nackt und kalkweiß am ganzen Leib, wie alle seiner Rasse, aber mehr noch wie der Tod.
    »Die geheimen Berechnungen der Kale nderpriester sind in allen Sümpfen versunken, aber durch dich, Bote der Götter, werden sie in heiligen Kalendarien aufs neue versammelt werden.« Die Flöten winselten, die Trommeln wummerten, die Sonne brannte hernieder, und in seiner Verwirrung dachte Robert, daß die Bänder in den Mündern der Priester zumindest erklärten, weshalb ihre Ausrufe auf einmal so verquollen klangen. Dann dachte er, daß sie ihn an barocke Gemälde erinnerten, auf denen die dargestellten Figuren häufig Spruchbänder mit Aufschriften wie »Memento mori« oder »Das Leben ein Traum« oder »Du bist, was du siehst« trugen. Danach erst wurde ihm bewußt, daß sich die Papierbänder von den Mündern der Priester her abwärts verfärbten, leuchtend rot und so rasch, als wären es Lunten, die sich im Rachen der Priester entzündet hätten.

2
     
     
    »Cha'ac, erhöre unser Flehen! K'ik! Du Donnerer des Himmels, sieh doch, wir bringen dir ein Opfer dar. K'ik!« Wie

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