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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ich nur in Fort George geblieben, verdammt! Wachsoldat vorm White House, immer in sauberer Uniform, und alles läuft korrekt ab - das is' das Richtige für mich. Aber das hier?« Wieder musterte er Büsche und Bäume, diesmal mit verdrießlicher Miene. »Aber ich dachte, ich war's Thomas schuldig«, sagte er dann. »Er war 'n guter Kamerad, und Tommy ist in meinen Armen verblutet, verstehst du?«
    Chillhood gab ein Grunzen von sich, das allerlei bedeuten konnte: Gleichgültigkeit, Zustimmung oder sogar eine vierschrötige Version von Mitgefühl.
    »Der verrückte Maler hat ihn vor meinen Augen abgeknallt«,
    fuhr Muller in nörgelndem Tonfall fort. »Und da dacht' ich mir, wenn der Gouverneur Freiwillige sucht, um den Mörder zu fangen, dann muß ich mich einfach melden.«
    Chillhood schien den mißmutigen Betrachtungen seines Kameraden keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Er nestelte seine Wasserflasche vom Gürtel und schüttelte sich die letzten Tropfen in den Mund.
    »Fünf Minuten noch«, sagte Muller. Er erhob sich und trottete auf einen mannshohen Felsbrocken zu, zwanzig Schritte tiefer im Wald.

2
     
     
    Erst mit einiger Verspätung registrierte Helen, daß sie auf einmal mit Richard Chillhood allein war. Bis vor kurzem noch hatte sie geglaubt, daß sie sich hauptsächlich vor Charles Muller hüten mußte, doch inzwischen war ihr klargeworden, daß Chillhood weit gefährlicher war. Anfangs hatte Muller sie ein paarmal nachdenklich gemustert, als versuchte er sich zu besinnen, wo er diesem Henry O'Rooney schon einmal begegnet war. Aber bald schon schien sein Argwohn verflogen, und mittlerweile war sich Helen sicher, daß er den schmutzstarrenden Pferdeburschen nicht von sich aus mit Miss Harmess aus Fort George in Verbindung bringen würde.
    Es empörte sie sogar ein wenig, daß ihr Anblick keinerlei Widerhall in ihm hervorrief. Immerhin hatte sie ihn in Fort George drei Jahre lang jeden Morgen mit einem Lächeln und manchmal auch mit einem Scherzwort gegrüßt. Und in den letzten Wochen war sie sogar zwei-oder dreimal vor seinem Wachhäuschen stehengeblieben, um ihn beiläufig in ein Gespräch über »den exzentrischen britischen Zeichner« zu verwickeln. Von Sergeant Muller hatte sie erfahren, daß Robert Thompson beabsichtigte, auf den Spuren eines gewissen Frederick Catherwood in die Wildnis zu ziehen. Und Charles Muller verdankte sie auch den Hinweis, daß die Gentlemen Mortimer, Climpsey und Thompson sich allabendlich in der Mahogany Bar einzufinden pflegten, einem düsteren, nach Tabak und Schnaps stinkenden Gewölbe, in das sie sich tatsächlich einmal hinabgewagt hatte, zur Erprobung ihrer Maskerade und um vom Nachbartisch aus den Wortwechsel der drei Gentlemen zu belauschen. Schon am nächsten Tag hatte sie, durch ihre Erfolge beflügelt, Sergeant Muller in ein weiteres Gespräch über den geheimnisvollen jungen Zeichner und seine Expeditionspläne verstrickt, und damals schien es ihr, als ob ihr hartnäckiges Interesse an dem »weltfremden Engländer« ihn allmählich doch ein wenig befremdete. Aber natürlich war es besser so, weit besser, daß Charles Muller trotz alledem zwischen Miss Harmess und Henry O'Rooney keinerlei Verbindung zu erahnen schien.
    Ganz anders verhielt es sich mit Sergeant Chillhood, dachte Helen, während Muller in taumelnder Gangart hinter seinem Felsbrocken verschwand. Richard Chillhood mochte höchstens fünf Jahre älter als Muller sein, Anfang Dreißig oder wenig darüber, und doch umgab ihn die Aura eines altgedienten Kriegers. Bei einer Zeremonie im Park von White House war er im letzten Jahr sogar mit einem Orden ausgezeichnet worden, und der Gouverneur persönlich hatte den blutdurstigen Sergeant als »Helden Britanniens« gepriesen. Bei dieser Zeremonie zu Ehren von Soldaten und Offizieren, die sich bei der Niederschlagung von Indio-Aufständen besonders hervorgetan hatten, war auch Helen zugegen gewesen, allerdings nur als geduldeter Zaungast in einer Gruppe junger Kopistinnen, an die Richard Chillhood sich sicherlich nicht erinnern würde. Und trotzdem hatte sie im Verlauf dieses Vormittags, während sie die beiden Soldaten durch die Wildnis geführt hatte, immer deutlicher empfunden, daß der so großspurige wie grobschlächtige Chillhood eine furchtbare Gefahr für Henry O'Rooney darstellte.
    Sie hockte auf ihrem Steinbrocken in der Düsterkeit des Waldes und versuchte sich so wenig wie möglich zu rühren, in der Hoffnung, daß Chillhoods Aufmerksamkeit

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