Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
Schallplattenfirma herauszufinden. Und falls an Fenris’ Prahlereien in Bezug auf das, was sie hier vorhatten, etwas dran
war, dann war eine Rettung für ihn in naher Zukunft nicht in Sicht. Ganz offensichtlich waren die drei auf der Flucht.
Seine Gedanken wanderten zu der seltsamen alten Frau. Was hatte es mit der wohl auf sich?
Langsame schwere Schritte kamen die Treppe herauf. Und er hörte mit diesen unangenehmen Grübeleien auf und schob sie beiseite.
Er spannte sich an. Suchte nach einer möglichen Waffe. Der Krug lag immer noch auf dem Boden und schien erstaunlicherweise heil geblieben zu sein. Ebenso der Eimer. Er bückte sich und hob den Krug auf, umfasste den abgenutzten Henkel. Er erinnerte sich an Fenris gebogene Messerklinge und erschauerte. Es war unmöglich, dieses Zittern loszuwerden, und auch das Zähneklappern war kaum zu bändigen.
»Luke? Hier ist Loki.« Er machte keine Anstalten, ins Zimmer zu treten.
Die sind jetzt auf der Hut vor mir. Das ist gut. Sie sind ängstlich, sind eben doch nur Kinder. Fenris ist nur ein Großschwätzer, ein Angeber. Die haben garantiert noch nie jemanden umgebracht.
Luke blieb wenige Meter vor der Tür stehen, so dass er genug Platz hatte, mit dem Krug auszuholen. »Ja?«
»Gut, du hörst mir also zu.«
»Auf jeden Fall.«
»Das freut mich sehr, Luke. Weil du mir jetzt nämlich sehr genau zuhören solltest. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Du hast einen schweren Fehler gemacht.«
»Ach ja?«
»Ja, mein Freund, allerdings.«
»Er ist mit dem Messer auf mich losgegangen. Was sollte ich da denn machen?«
»Wenn er dich hätte töten wollen, dann wärst du längst tot. Verstanden?«
»Eigentlich nicht.«
Loki seufzte. »Fenris hat schon Leute umgebracht. Für ihn ist Mord keine große Sache. Ist das jetzt klar?«
Luke spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Die letzte Körperwärme schien seinen Körper zu verlassen.
Er zwang sich dazu, sich nicht allzu deutlich vorzustellen, was diese Aussage von Loki bedeutete, genau wie er sich dazu gezwungen hatte, die ausgeweideten Leichen in den Bäumen aus seinem Gedächtnis zu bannen. Er musste alles tun, um den Verstand zu behalten, sonst war er verloren. »Wenn er versucht, mir Angst einzujagen, dann gefällt mir das nicht, Loki. Verstehst du?«
»Er wollte dich doch gar nicht verletzen. Er mag dich. Er freut sich, dass du hier bei uns bist. Er langweilt sich mit mir und Surtr. Weißt du, Surtr und ich, wir sind zusammen, und Fenris ist ein bisschen außen vor.«
»Aha.«
»Aber jetzt hast du keinen Freund mehr hier, Luke. Du hast es dir mit ihm verdorben.«
»Er war nicht mein Freund, Loki. Und ich bin kein Dummkopf. «
Loki brach in schallendes Gelächter aus. »Das habe ich auch nie behauptet, Luke. Du willst überleben. Du kämpfst. Du bist nicht schwach. Das bewundere ich. Du bist was Besonderes. Deshalb hast du überlebt, als deine Freunde ums Leben kamen. Ist doch klar, oder? Fenris war nur so dumm, dich einen Moment aus den Augen zu lassen, das ist alles. Aber er hat ganz bestimmt daraus gelernt. Ich würde dir empfehlen, ihm nicht noch einmal so zu kommen, denn dann schalte ich mich ein. Dann sorge ich für Ruhe, verstanden?«
Luke sagte gar nichts. Er versuchte verzweifelt, seine Sympathie für diesen jungen Mann zu unterdrücken.
»Hast du verstanden, was ich gesagte habe, Luke?«
»Ja!«
»Gut. Aber bitte schrei nicht so, du bist unser Gast, okay?«
»Okay.«
»Ich danke dir.«
»Was ist mit meinen Freunden, Loki? Habt ihr sie umgebracht? «
»Nein. Ich kann dir nicht genau erklären, was mit ihnen passiert ist, aber wir werden es bald herausfinden …«
»Was meinst du damit?«
»Luke! Ich stelle hier die Fragen! Also hör mir bitte zu. Du musst jetzt sehr vorsichtig sein und … wie sagt man? Sogar im Schlaf wachsam sein. Weil jemand in diesem Haus ist, und zwar gar nicht weit von deinem Bett entfernt, der dich sehr gerne töten möchte.«
»Dann sag Fenris doch bitte, dass es mir leidtut. Ich habe ihn nur geschlagen, weil ich Angst hatte, dass er mich verletzt. Und ich habe einfach keine Lust mehr, mich verletzen zu lassen, Loki. Könnt ihr das nicht verstehen? Meine Freunde wurden umgebracht und ich will … ich will einfach nur, dass das hier aufhört.«
»Das verstehe ich sehr gut, Luke. Es wird auch bald aufhören.«
Diese Aussage ließ jäh eine irre Hoffnung in Luke aufkeimen, bis ihm schlagartig klar wurde, dass Loki vielleicht ein ganz anderes
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