Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
Rocks über die Stufen glitt, erschien sie Luke wie eine beunruhigende und hässliche Puppe, die plötzlich zum Leben erwacht ist.
Luke wurde nach oben geschoben, dorthin, wo der Geruch nach Alter und Verkommenheit noch stärker war. Fenris schubste ihn voran, und er wurde gegen den vorangehenden Loki gedrängt, während sie durch das enge dunkle Treppenhaus hinaufstiegen wie durch den aufgesperrten Rachen eines Untiers. Vom Dachboden her kam ein staubiger, herb riechender Hauch abgestandener Luft, die sich unter den uralten krummen Balken angestaut hatte, und vermischte sich mit den unangenehmen Ausdünstungen von vertrocknetem Fleisch. Der Geruch schien von kleinen Kadavern zu kommen, den Resten von Vögeln oder Nagetieren, die hier herumlagen. Es war der gleiche Gestank, den er aus einem Speicher in West Hampstead kannte, den er gemietet hatte. Dort hatten jede Menge toter Ratten herumgelegen.
Sein Herz fing heftig an zu pochen, als er diesen Geruch identifizierte, die Augen tränten ihm, weil er kaum noch in der Lage war zu blinzeln, während sie ihn immer weiter nach oben stießen, dem Ende der Treppe entgegen. Irgendwas hauste dort oben, die Geräusche hatte er ja in der letzten Nacht gehört. Die
Tatsache, dass inmitten dieses grässlichen Gestanks nach vertrocknetem Verfall etwas lebte, widerte ihn derart an, dass er am liebsten keinen Schritt mehr weitergegangen wäre.
Loki stolperte und wurde immer langsamer. Er musste sich ducken, weil er so groß war, dass er beinahe gegen die uralten Balken stieß oder die gewellten Bretter und den ausgebeulten losen Verputz berührte. Das diffuse gelbliche Licht der Lampe in seiner Hand warf einen warmen Schimmer nach unten zwischen seine Beine, und kurz konnte Luke seine Füße sehen, die über die schmalen, ausgetretenen und abgenutzten Stufen nach oben stiegen.
Das Mädchen blieb unten stehen. Ihr breites aufgedunsenes Gesicht war ernst, wirkte wachsam, vielleicht sogar verängstigt. Ihre blassblauen Augen waren weit aufgerissen, und sie schien sich vor dem zu fürchten, das Luke dort oben auf dem Dachboden erwartete. Zweifellos gab es da etwas, das sie schon einmal gesehen hatte, aber nicht noch einmal in Augenschein nehmen wollte.
Dennoch blieb ihm nichts weiter übrig, als weiter hinaufzusteigen, taumelnd, von Fenris gestoßen und von Loki gezogen, bis er den dunklen Raum betrat.
Abgesehen vom schwachen Schein von Lokis Lampe, die er jetzt auch noch abschirmte, war es dunkel. Es schien, als würde er die Flamme im Innern der gläsernen Laterne verdecken, um zu verhindern, dass jemand geblendet wurde, der empfindliche Augen hatte.
Nur ein sehr schmaler Streifen trübes Tageslicht drang durch die lockeren Ziegeln in dem niedrigen Dach über ihnen. Dies war der höchste Punkt im Haus, der Gipfelpunkt all seiner Mysterien und seines Schreckens. Verwinkelte Wände, Treppen und Balken stützten die windschiefe Konstruktion, verbargen aber gleichzeitig das, was sich dort befand, schirmten es ab, bewahrten es und konservierten seinen Zustand. Luke konnte jetzt schon
ahnen, was sich ihm gleich offenbaren würde, welcher Schrecken ihm bevorstand. Das Grauen, das ihn gepackt hatte, war so intensiv, dass er nicht einmal mehr schlucken konnte. Verzweifelt versuchte er, die Erinnerungen an das, was man in diesen alten Häusern im ältesten Urwald Europas finden konnte, aus seinem Gedächtnis zu bannen, aber es gelang ihm nicht.
Kaum waren sie auf dem Dachboden angekommen, begannen Loki und Fenris mit irgendwelchen verhaltenen Ehrerbietungen.
Eine stinkende Hand schob sich über Lukes Gesicht und legte sich von hinten über seinen Mund, als wollte jemand sicherstellen, dass er sich respektvoll ruhig verhielt. Es war Fenris. Die schmale schmutzige Hand blieb dort liegen und verhinderte jede Bewegung seiner Lippen. Die knochigen Schultern und der Brustkorb des Jungen drängten sich an ihn und schoben ihn weiter voran ins Dunkel. Er schaute zu Boden, um zu sehen, wo er mit seinen nackten Füßen hintrat.
Irgendwo links von ihm leuchtete ein orangefarbenes Licht. Loki hatte die alte Öllampe auf den Boden gestellt und sich daneben gehockt. Nun lehnte er mit dem Rücken an der Dachschräge. Kurz blickte er Luke in die irren Augen, dann wandte er den Kopf und hob die Lampe an, damit der schwache Lichtschein etwas weiter fiel. Damit er es sehen konnte. Alles sehen konnte.
Das schmuddelige Licht erhellte den Raum direkt vor ihm, und am liebsten hätte er seine Augen davor
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