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Im wilden Meer der Leidenschaft

Im wilden Meer der Leidenschaft

Titel: Im wilden Meer der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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begegnet war. Und gerade darum begehrte er sie so sehr.
    Er hörte sie leise im Schlaf murmeln, nichts ahnend von dem Gefühlschaos, das in ihm herrschte. Die Glocke für den Wachwechsel am Ruder hatte schon vor langer Zeit geläutet, und der zu steuernde Kurs war ausgerufen. Die meisten der Männer schliefen jetzt, die Offiziere in ihren Kojen unter dem Achterdeck, die Matrosen, wo immer sie einen Platz fanden. Vielleicht könnte er dort oben unter dem nachtschwarzen Himmel zur Ruhe kommen und seine Gedanken sammeln.
    Balthazar verließ die Kabine und beeilte sich, über die steile Treppe hinauf an Deck zu gelangen. Der Schiffsjunge, der für das Umdrehen der Sanduhr zuständig war, nickte ihm zu. Er ging bis zum Bug, von wo aus er auf den weiten, offenen Ozean blickte und die salzige, kalte Meeresluft einsog. Die Dunkelheit wurde einzig durch die im Mondlicht schimmernden weißen Schaumkronen der Wellen erhellt.
    Nur hier, unendlich weit weg von Venedig und von allem, was er gekannt hatte, hatte Balthazar seinen Seelenfrieden und einen Lebensinhalt gefunden. Das Meer unterwarf sich niemandem, und doch war es ihm vertraut. Er verstand die wilde, zornige Freiheit, die nicht gebändigt werden konnte. Hier auf See war jetzt sein Zuhause.
    Fühlte Bianca sich ähnlich? Hatte auch sie Zuflucht in dieser gefährlichen neuen Welt gefunden? Er spürte, dass sie ihn, wie das Meer, verstehen könnte.
    Wenn es ihm nur möglich wäre, ihr seine Gefühle zu offenbaren! Wenn sie ihre Vergangenheit in den Tiefen des Ozeans versenken könnten!
    Doch wenn auch das Meer allen, denen es gut gesonnen war, zu großen Schätzen verhelfen konnte, so konnte es doch niemandem ein neues Leben schenken, konnte ihn nicht von seinen Sünden rein waschen.
    Er hörte Gelächter hinter sich, und als er sich umdrehte, sah er Mendoza und Luis, die an der Feuerstelle etwas kochten. Der offene Herd war solide gebaut, und ein Kessel hing an einer Stange über den Flammen. Rauch und der Geruch gegrillten Schweins hingen in der kalten Luft.
    Als er auf die Männer zukam, sahen sie auf und grinsten ihn an.
    „Ihr musstet heute Abend hart arbeiten, was, Kapitän?“, sagte Mendoza. „Hier, nehmt etwas Fleisch und Bier.“
    „Damit Ihr wieder zu Kräften kommt, falls noch mehr Arbeit ansteht“, sagte Luis und reichte Balthazar einen Krug.
    Er nahm ihn dankbar an und setzte sich nahe ans wärmende Feuer. Die beiden Männer lachten, aber stellten ihm keine Fragen über Bianca. Sie hatten im Umgang mit Balthazar gelernt, ihre Neugier im Zaum zu halten. Balthazar hätte sowieso keine Antworten auf ihre Fragen gehabt. Hätte weder den Männern noch sich selbst erklären können, was ihn mit Bianca verband.
    „Ist Eure Wunde verheilt, Kapitän?“, fragte Mendoza und drehte das aufgespießte Fleisch über dem Feuer.
    „Das war nur ein Kratzer“, antwortete Balthazar.
    „Señora Montero ist sicherlich eine gute Krankenschwester, was?“
    Balthazar zuckte zusammen, als er sich daran erinnerte, wie sie ihm eine Nadel ins Fleisch gestochen hatte. „Das kann man wohl sagen.“
    „Euer Schutzengel muss über Euch gewacht haben“, äußerte Luis. „Diego war wild entschlossen, Euch umzubringen.“
    „Und er wird auch in Zukunft nicht aufgeben“, bemerkte Mendoza düster. „Er wird zurückkommen, sobald er hört, dass Ihr noch am Leben seid.“
    Balthazar nahm einen tiefen Schluck aus dem Bierkrug und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Wieder erinnerte er sich an den hasserfüllten Ausdruck in Diegos Augen, als der mit dem Dolch zugestoßen hatte. Er erinnerte sich auch an Esperanzas verzweifelte Schreie, als sie von Bord getragen wurde, und an Diegos Flüche und Drohungen.
    „Etwas anderes würde ich auch nicht von einem Mann erwarten, der so auf Rache aus ist“, antwortete er.
    „Auf Vista Linda wird er uns nicht finden“, sagte Mendoza entschieden. „Niemand weiß, wo die Insel liegt.“
    „Und selbst wenn er sie finden würde, müsste er es erst mit uns allen aufnehmen“, fügte Luis hinzu. „Noch einmal wird er nicht entkommen.“
    Balthazar nickte, aber er wusste, keine Drohung dieser Welt, nicht einmal eine mit Waffen vorgetragene, würde einen so zornigen Mann wie Diego Escobar abschrecken. Denn Diego hatte seine Seele für immer unter Kummer und Hass vergraben. Nur der Tod – sein eigener oder Balthazars – würden ihn aufhalten.
    Balthazar konnte Diego verstehen, denn auch er war jahrelang in Hass und Wut gefangen gewesen.

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