Im Wirbel der Gefuehle
mehr nur seines. Das Leben zu zweit ist jetzt viel wichtiger. Die eidliche Verpflichtung und Treue ändert sich für einen Mann, wenn er heiratet. Seine Verantwortung sollte er dann vor allem gegenüber seiner Frau und seinen Kinder wahrnehmen und nicht so sehr gegenüber der Bruderschaft und ihren Zielen. Christien wäre sicherlich der Erste, der zustimmen würde, das nichts so hochzuhalten sei, wie die Familie.«
Würde er das tatsächlich? Reine war sich dabei nicht so sicher. »Ist es normal, dass die Fechtmeister die Bruderschaft aufgeben, wenn sie heiraten?«
»Natürlich. Andere kommen und werden den Geist der Bruderschaft am Leben erhalten, da können Sie sich sicher sein. Es wird immer welche geben, die keine Familie oder derartige Verpflichtungen haben und dann die Führung übernehmen werden.«
»Ich wüsste schon gerne, wo Christien hingeht und was er so treibt«, sagte sie eher zu sich selbst.
»Wir alle haben das Bedürfnis, darüber Bescheid zu wissen, denke ich«, pflichtete Lisette ihr bei.
»In der Tat«, ergänzte Juliette mit sanfter Stimme. »Und ich denke, er wird es Ihnen schon rechtzeitig sagen, wenn Sie ihm zu verstehen geben, dass Sie es wirklich wissen wollen und sich Sorgen machen.«
»Sie scheinen sich da so sicher zu sein, ich bin diesbezüglich nicht so zuversichtlich.«
»Oh, ma chere. Als Nicholas und ich uns das erste Mal sahen und beschlossen, zu heiraten, waren wir beide uns genauso fremd, wie Sie und Christien jetzt«, sagte Juliette mit einem Lächeln im Gesicht. »Ich dachte, die heilige Jungfrau Maria hätte ihn mir gesandt, als Antwort auf meine Gebete, in denen ich um die Rettung meiner Familie bat, und, na ja, wer sagt, dass sie es nicht war? Aber es gab gewisse Geheimnisse zwischen uns. Er dachte, ich wäre das unschuldigste Lamm auf Erden, und ich hingegen war der Meinung, dass er der reinste Casanova wäre, seinem Ruf nach zu urteilen. Einmal, im Tivoli-Garten, hätte ich mich ihm fast hingegeben. Ich war verkleidet und dachte, er würde es nicht bemerken, doch er erkannte mich und gestand mir später, dass er zu jedem Zeitpunkt wusste, wer ich gewesen sei. Doch bis dahin nahm ich an, er hätte es bewusst in Kauf genommen, mit einer anderen etwas anzufangen, was mich bis zu seinem Geständnis sehr traurig gemacht hatte. Ihm war nie der geringste Zweifel gekommen, welche Frau er da in den Armen hielt, doch ich beschuldigte ihn, insgeheim eine
Vorliebe für lose Frauenzimmer zu haben. Der Punkt ist der, dass ihr euch gegenseitig Vertrauen schenken und euer Herz öffnen müsst. Lasst keine Geheimnisse zwischen euch entstehen.«
Das schien ein guter Ratschlag zu sein, mit dem kleinen Haken, dass man auch den Mut dazu aufbringen musste, dies umzusetzen.
Ja, und natürlich auch die Zeit dazu haben.
Der Tag, der so schleppend begonnen hatte, verflog auf einmal furchtbar schnell, und ehe sie sichs versah, war es schon fast Abend. Reine bemerkte zunächst gar nicht, dass plötzlich ihre Mutter neben ihr stand, die ihr dann mitteilte, dass alles hergerichtet sei, damit sie sich baden und umkleiden könnte.
Die Hochzeit stand bevor.
Zwanzigstes Kapitel
Die verzinkte Badewanne, deren Form an einen offenen Sarg erinnerte und einst mit einem Dampfschiff aus Pennsylvania nach River’s Edge geliefert wurde, war der ganze Stolz von Madame Cassard. Als Reine schließlich das Schlafzimmer ihrer Eltern betrat, war ein Bad mit lauwarmem Wasser schon hergerichtet. Die angenehme Kühle des Bades war unglaublich erholsam angesichts der drückenden Hitze des späten Nachmittags, die über dem weiten Land lag. Das Schlafzimmer war recht stickig und warm, aber doch nicht so heiß wie die anderen Zimmer, die sich in der südwestlichen Ecke des Hauses befanden und der Sonneneinstrahlung direkt ausgesetzt waren. Auch der Raum, den Christien zugewiesen bekommen hatte, war eines der Gemächer, die jenseits der Eingangshalle lagen und im Sommer so unangenehm heiß wurden.
Das ehemals elterliche Schlafzimmer würde nun ihr Hochzeitsgemach werden, in dem sie, ganz der Tradition gemäß, drei Tage in Zurückgezogenheit verleben würden. Auch wenn es angenehmere Temperaturen bot, wäre es sicherlich nachts auch noch zu warm, als dass man ein Nachtgewand tragen könnte. Aber auch tagsüber wäre wahrscheinlich nicht allzu viel Kleidung notwendig. Noch ein paar Stunden und man würde von ihr und Christien erwarten, dass sie hier hineingingen und die Tür abschlössen, um alles andere draußen
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