Im Wirbel der Gefuehle
fungierte, dann würde er mit ihrer Tochter im Gefolge der Brautleute zur Kapelle schreiten. Wie unpassend!
Langsam aber sicher stieg Ärger in auf, wenn sie nur daran dachte, wie es dazu kommen konnte. Christien hatte absichtlich diese Tatsache vor ihr geheim gehalten. Er wusste, dass die Wahl dieses Trauzeugen ihr missfallen hätte und auch ihre Eltern Einwände gegen den Mann gehabt hätten, der schließlich der Vater des von Theodore verführten Mädchens war und damit wirklich nicht auch noch direkt in die Hochzeitsfeierlichkeiten miteingebunden werden sollte. Es war wie ein Schlag ins Gesicht und ein eindeutiges Signal dafür, dass sie zusammen nicht glücklich sein könnten.
Ihre Gedanken zerstreuten sich jedoch schnell, als sie gewahr wurde, dass die Männer wieder anfingen, sich zu unterhalten.
»Falls er aus irgendwelchen Umständen doch nicht kommen sollte, dann kannst du natürlich auf uns zählen, das weißt du«, sagte der Conde mit seinem typisch spanischem Akzent.
»Dafür bin ich euch wirklich dankbar, aber ich habe keine Zweifel, dass er bald kommen wird.« Christien klang leicht verärgert. »Viel zu viel wurde in dieses Experiment schon investiert, und es hat auch eine zu große Bedeutung für ihn, als dass er das Ganze platzen lassen würde.«
Experiment? Was für ein Experiment sollte das sein? Könnte es sein, dass Christien womöglich von ihrer Hochzeit sprach? Allein der Gedanken daran ließ Reine trotz der abendlichen Schwüle frösteln.
»Bist du dir sicher, dass du das durchziehen willst?«
Das war sicherlich Nicholas Pasquale, der diese Frage stellte, dachte sie, denn sein italienischer Akzent war deutlich zu hören. Es schien so, als ob die anderen Fechtmeister genau Bescheid wussten, was Christien vorhatte. Sollte dies der Beweis dafür sein, dass seine Anwesenheit auf River’s Edge nur mit den Angelegenheiten der Bruderschaft zu tun hatte, ganz so, wie sie es anfangs schon vermutete? War ihre Hochzeit wirklich Teil eines Racheaktes?
»Ich habe nie etwas mehr gewollt als genau dieses«, sagte Christien mit sonorer Stimme.
Reine erhob sich laut aus ihrem Bad und ließ das Wasser an sich herunterplätschern. Sie langte nach dem bereitgelegten Handtuch und trocknete sich ab. Als das schwappende Wasser in ihrer Badewanne sich wieder beruhigte, wurde ihr bewusst, dass die Männer vor ihrer Balkontür plötzlich aufgehört hatten, sich zu unterhalten. Auf der Galerie herrschte auf einmal absolute Stille.
Sie wussten, dass ihnen jemand zugehört hatte, zumindest vermuteten sie es. Was sie allerdings nicht wissen konnten, war, wer in der Badewanne gesessen hatte. Sie blieb bewegungslos stehen und wartete ab, was sie nun tun würden.
»Reine, ma chere«., rief ihre Mutter und trat umstandslos in das Schlafzimmer ein, ohne vorher anzuklopfen, »bist du beim Baden eingeschlafen? Ich dachte, du hättest schon längst nach mir geläutet. Wenn du nicht nackt zu deinem Bräutigam gehen willst, dann müssen wir dich so schnell wie möglich anziehen.«
Draußen auf der Galerie hörte man hektisches Stühle rücken und das Knarren von Stiefeln auf dem Holzboden. »Christien, Christien«, rief Gavin Blackford mit unterdrücktem Lachen, während er sich mit den anderen offensichtlich hinter das Haus verzog, »ein notwendiges Opfer zu bringen, mag ja eine Sache sein, aber es sollte doch nicht so weit gehen, dass man schon vor einer badenden Braut Angst hat. Was hast du uns da bloß verschwiegen?«
Ja, was wohl, fragte sich Reine mit zusammengepressten Lippen. Was könnte das nur sein?
Eine Stunde später stand Reine vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer ihrer Eltern. Der lange Rock ihres Kleides mit seinen zahllosen Reihen von Rüschen wurde so lange um sie herum drapiert, bis sie sich in einer blaurosa Stoffwolke befand. Ihr Schleier aus französischer Spitze, der ihr Gesicht anschmiegsam umrahmte, wurde in akkuraten Falten über ihren Schultern arrangiert. Die dornigen Stiele der rosaroten Rosen wurden in eine kleine silberne Halterung gesteckt, sodass sie den Hochzeitsstrauß problemlos vor sich hertragen konnte. Außerdem wurde das Ganze mit einem Spitzentaschentuch geschmückt. Diese beiden Kleinigkeiten sowie ein paar goldene Haarnadeln waren Teil des corbeille de noce, den Christien ihr geschenkt hatte. Das wertvollste Präsent dieses Hochzeitskorbes war jedoch eine wunderschöne Halskette mit funkelnden Kameen, die sie zu diesem Anlass natürlich gerne trug. Nun war sie bereit oder
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