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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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zitterten einen Deut heftiger, als er sie hochnahm und dicht vor die Augen hielt.
    Er legte sie zurück auf die Oberschenkel. Ich wartete.
    »Woher haben Sie die?« Sein brüchiger Bass verriet nicht, was er dachte.
    Ich erklärte es ihm kurz, und dann berichtete ich, was ich
wusste. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, während ich gegen die dumpfe Wärme des Raumes ankämpfte, die mich umgab und mich einzulullen drohte.
    Schweigend hörte er mir zu, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. Er sah mich aufmerksam an, und während ich weitersprach, erkannte ich, was in seinen Augen saß: eine unbeteiligte, fast wissenschaftliche Neugierde, als ginge ihn das, was ich erzählte, persönlich nichts an.
    Als ich endete, schwieg er. Die Reste eines Kaminscheits brachen auseinander und fielen mit einem krächzenden Laut von einem darunterliegenden Scheit in die graue Asche längst verloschener. Er nahm das Rotweinglas vom Tisch und trank.
    »Weshalb rühren Sie diese alten Geschichten wieder auf?«, fragte er, als er das Glas zurückgestellt hatte.
    »Meine Mutter wurde ermordet«, sagte ich. »Meine Tochter wurde entführt.«
    »Ihre Mutter hat vor vielen Jahren auf demselben Sessel wie Sie jetzt gesessen.«
    »Sie geben es zu?« Ich war überrascht und fragte mich, welches Ziel er verfolgte, denn Menschen wie Peter Plotzer verfolgen immer ein Ziel.
    »Die Wahrheit ist die Wahrheit«, sagte er lapidar.
    »Und was hat sie gewollt?«
    »Geld«, sagte er.
    »Wie haben Sie reagiert?«
    »Es ist nicht mein Stil, andere Leute umzubringen. Wenn es das ist, was Sie glauben.« Ein Lächeln stahl sich auf seine dünnen Lippen. »Schon gar nicht nach so vielen Jahren.«
    Ich erwiderte das Lächeln nicht. »Was wollte sie also?«
    »Sie hat mir erzählt, ich hätte eine Tochter.«
    »Haben Sie ja auch.«
    »Das kann jeder behaupten. Aber die Sachlage sieht doch wohl anders aus. Ihre Mutter hat behauptet, ich hätte sie vergewaltigt. Beweise gibt es nicht. Sie hat behauptet, sie sei dabei
schwanger geworden. Beweise gibt es auch dafür nicht und wird es …« Obwohl er zitterte und nuschelte, drückte seine geneigte Körperhaltung weder Anspannung noch Neugierde oder Nervosität aus, sondern allenfalls Langeweile und einen gewissen Überdruss, als hätte er diese Anwürfe schon zu oft gehört.
    »Rena Steinfeld«, unterbrach ich ihn unwillig, »kann es bezeugen, und außerdem haben Sie eine Tochter.«
    »Hören Sie doch auf damit.«
    »Ein genetischer Test wird beweisen, dass Sie der Vater sind.«
    »Und wenn ich den verweigere?«
    »Dann wird eben David überprüft. Auch so ist es möglich zu klären, ob diese Frau Ihre Tochter ist oder nicht.«
    »So einfach ist das also für Sie.«
    »Ja«, sagte ich. »So einfach ist das.«
    »Wann wurde das Foto gemacht?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Ich bin das aber nicht«, sagte er und wies noch einmal mit einem zittrigen Finger auf das Foto. »Sehen Sie, der Kleidung nach zu urteilen ist es vielleicht kurz nach Kriegsende aufgenommen worden. Da aber war ich nachweisbar längst in russischer Gefangenschaft.«
    Er zitterte, doch es war auch jetzt kein Zittern aus Angst oder Sorge. Vielmehr lag erneut ein so überlegenes Lächeln in seinem Gesicht, dass ich ihn am liebsten geohrfeigt hätte.
    Doch stattdessen lächelte ich zurück. »Das sind Sie sehr wohl«, erwiderte ich. »Sehen Sie, Sie mögen das Zeitschriftendossier von den Schillers bekommen haben und glauben, wir hätten dort alles schriftlich fixiert, was wir in Erfahrung gebracht hatten. Das haben wir aber nicht.«
    Erstaunen malte sich auf sein Gesicht.
    »Wir haben alles zusammengetragen, was Sie nach 1953 gemacht haben, und das war auch kein Problem. Aber erstens haben wir nicht alles weitergegeben, und zweitens konnten wir
nie nachweisen, was Sie in den Jahren zuvor taten oder wo Sie lebten.«
    »Ich war von 1945 bis 1951 in russischer Kriegsgefangenschaft.«
    »Das waren Sie eben nicht, Herr Laufer«, ließ ich die Bombe endlich platzen. »Sie lebten als Meinhard Laufer in Solthaven und arbeiteten für die Russen. Sie haben sich die Papiere eines gewissen Peter Plotzer beschafft und gefälscht oder gleich Originalvorlagen von Entlassungspapieren gefälscht. Wahrscheinlich bekamen Sie sie über Ihre russischen Kanäle. Denn Sie haben ja für die Russen gearbeitet. Peter Plotzer aber, so ergaben unsere Recherchen in russischen Archiven, starb bereits auf dem Transport nach Sibirien in einem Viehwaggon. So belegen es die

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