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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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uns wütend macht. Er packte sie unter den Armen und wollte sie in die dunkle Gasse und zum Eingang des verlassenen Lagerhauses schleifen. Wochenlang hatte er die Gegend ausgekundschaftet; hier kam niemand mehr her, wenn es dunkel war. Ganz ungestört und stockfinster – so hatte er es gern, wenn er arbeitete. Das Lagerhaus war der Ort, wo er sein Fleisch dem Green River zu bringen gedachte; sein Koffer war bereits drinnen versteckt und erwartete ihn mit Kerzen und seinem Werkzeug, und er ersann sich für ihre Verbrechen bereits Strafen, die noch ausgeklügelter waren als sonst. Vielleicht würde er ganz gegen seine Gewohnheit verfahren; wenn er sie erst festgenagelt und geknebelt hätte, würde er vielleicht warten, bis sie aufwachte, bevor er sich an die Arbeit machte. Sollte sie doch zusehen. Vielleicht könnte er sogar einen Spiegel auftreiben.
    Ihr Körper fühlte sich federleicht an; er begriff überhaupt nicht, wo sie diese ganze Kraft hernahm. Aber egal: Fleisch, mehr war sie jetzt nicht mehr. Er war ein Maler, der mit Fleisch arbeitete, und sie war seine neue Leinwand. Bei dem Gedanken an den bevorstehenden Spaß nach ihrem kleinen Handgemenge wuchs seine Erregung wieder.
    Zeit zum Spielen, kommt nur alle heraus zum Spielen. Die Stimmen klangen glücklich, liebevoll, zufrieden mit seinem Erfolg.
    »Hey! Sie da!«
    Dante blickte auf. Scheiße! Leute kamen auf ihn zugelaufen, keine fünfzig Schritt weit vor ihm: Männer, hohe Schatten an den Gebäuden, mindestens drei, vielleicht mehr. Hastig zog er sein Fleisch in die schützende Gasse, und rasch ging er die Möglichkeiten durch, die er hatte. »Sie da! Halt!«
    Er brauchte die Stimmen nicht, um diese Entscheidung zu treffen; er ließ den Körper fallen und rannte los, so schnell er konnte. Wer immer diese Männer waren, sie hatten ihn nicht deutlich gesehen. Es fiel ihm schwer, eine Beute aufzugeben – all die Lauferei. Aber es würden neue Tage kommen und frischeres Fleisch, besser als das hier. Er hörte hinter sich Schritte in der Gasse, als er auf die Straße hinausbog; mindestens einer, vielleicht zwei Männer folgten ihm, aber er kannte hier jedes Haus in jedem Block, jede Tür und jedes Fenster, jede Biegung und jede Ecke. Das gehörte zu seinen sorgfältigen Vorbereitungen. Jetzt würden sie ihn niemals erwischen.
    Er bog noch zweimal um die Ecke, rannte durch eine leere, langgezogene Wohnung, ließ sich am anderen Ende in eine weitere Gasse hinausfallen, drückte sich in den Schatten eines Hauseingangs und lehnte sich an die Ziegelwand, bewegungslos und wachsam. Das Messer erschien in seiner Hand, breit und glitzernd. Wenn sie ihm hier herein folgten, würde er ihnen ein zweites Grinsen in die Gurgel schneiden. Schritte lärmten an der Gasse vorbei, Stimmen riefen einander, kamen zurück, entfernten sich. Er wartete zehn Minuten länger als nötig, und dann schob er das Messer wieder in die Scheide. Der Heimweg war frei; er war ihnen entwischt.
    Was war das? Unverwechselbar – der Schlagbolzen eines Colt-Revolvers, der dicht neben seinem Kopf zurückgezogen wurde, und die scharfe Berührung der Mündung an seiner Schläfe.
    »Bewegen Sie sich nicht, Mr. Scruggs«, sagte eine geschmeidige Stimme an seinem Ohr. »Ich möchte Sie nicht erschießen, nachdem wir soviel Mühe darauf verwandt haben, Sie zu treffen. Betrachten Sie mich als Ihren Freund. Verstehen Sie mich?«
    Die Stimme sprach mit einem Akzent. Was war es? Deutsch?
    »M-hm.«
    »Gut. Dann dürfen Sie jetzt den Kopf herumdrehen.«
    Die Stimme klang eindeutig deutsch; er hatte Soldaten in seiner Kompanie gehabt, Einwanderer, die geklungen hatten wie dieser Kerl. Dante warf mit seinem gesunden Auge ein Blick auf den Mann, als er sich umdrehte; jung sah er aus, ungefähr so alt wie Dante, groß, mit dichten blonden Haaren. Hellblaue Augen. Breite, kräftige Schultern. Sah schick aus, guter Anzug. War das einer der Männer, die hinter ihm her gewesen waren? Dante glaubte es nicht; dieser feine Pinkel war nicht mal außer Atem.
    »Was wollen Sie, Mister?« fragte Dante.
    Der Mann hielt ihm immer noch den Colt vors Gesicht; er strich ihm mit der Mündung über die Stirn herunter bis zu seiner toten Augenhöhle, und dort hielt er inne. Ein leises Lächeln auf den Lippen. »Sie dürfen mich Frederick nennen.«
    »Was wollen Sie, Frederick?«
    »Nun, ich will Ihnen helfen, Mr. Scruggs.«
    »Mir helfen? Wieso?«
    »Lassen Sie mich zunächst sagen, ich bin ein Bewunderer Ihrer Arbeit. Ich möchte

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