Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
immer obenauf sind. Ich habe gesehen, wie die Minister mit Frauen umspringen und wie sie ihre Wohnungen möblieren. Sie leben wie Könige und haben allzu viel Macht. Wenn aber jemand Macht ausüben könnte, ohne darüber korrupt zu werden, dann wäre das allenfalls eine Frau. Aber kein Mann.«
Hat es der Feminismus bis hierher geschafft? , fragte sich Nomuri. Vielleicht war Ming noch zu jung, um sich an Maos Frau Jiang Qing zu erinnern, die sogar dem Hof von Byzanz eine Lehrstunde in Korruption hätte geben können.
»Nun, für unsereins ist das kein Problem. Aber immerhin erfährst du von solchen Dingen, immerhin weißt du Bescheid. Das macht dich wirklich einmalig, Ming-chan«, sagte Nomuri und fuhr mit den Fingerspitzen über ihre linke Brust. Sie erzitterte wie auf Knopfdruck.
»Findest du?«
»Ja.« Und er küsste sie, genussvoll verweilend, während die Hand andere Körperteile koste. Er war so nahe dran! Sie hatte ihm freimütig erzählt, was alles an Informationen über ihren Schreibtisch ging, hatte ihm sogar den Decodierschlüssel verraten! Ihr Computer war am Telefonnetz angeschlossen, dass heißt, er konnte sich einloggen und mit der entsprechenden Software auf ihrer Festplatte herumschnüffeln, sich frei bedienen und sämtliche Dokumente auf Mary Pats Rechner überspielen. Verdammt, zuerst mach ich mich über eins seiner Mädchen her, dann leg ich das ganze Land flach . Besser kann’s kaum noch kommen, dachte der Spion und blickte schmunzelnd unter die Zimmerdecke.
13
EINGESCHLEUST
Die delikateren Einzelheiten hatte er diesmal weggelassen, stellte Mary Pat fest, als sie am Morgen vor ihrem Computer saß. Operation SORGE machte Fortschritte. Diese Ming, wer immer sie war, plapperte ein bisschen viel. Seltsam. Sollte das MSS seine Angestellten etwa nicht gründlichst durchleuchtet haben? Das wäre allerdings eine große Nachlässigkeit. Gleichwohl war es durchaus möglich, dass im Hinblick auf die bekannten vier Hauptgründe für Verrat und Spionage (kurz MICE für Money, Ideology, Conscience und Ego) hier ein klassischer Fall von Ego-Motivation vorlag. Die junge Miss Ming wurde von ihrem Minister Fang sexuell missbraucht, und dass sie sich womöglich dafür rächen wollte, fand Mary Patricia Foley durchaus plausibel. Von einem mächtigen Mann genötigt zu werden, machte eine Frau beileibe nicht glücklich, auch wenn dieser mächtige Mann ironischerweise glaubte, dass sich die Frau durch sein Interesse an ihr geehrt fühlen würde – war er doch ein großer Mann und sie nur eine kleine Landpomeranze. Der Gedanke berechtigte zu einem empörten Schnauben, was Mary Pat dann auch tat, bevor sie einen Schluck Kaffee trank. Unabhängig von Kultur und Volkszugehörigkeit waren sich doch alle Männer gleich. Die meisten dachten mit dem Schwanz und nicht mit dem Kopf. Nun, diesen Fang würde das teuer zu stehen kommen, stellte die Direktorin der Abteilung verdeckte Operationen fest.
Mit dem PDB, dem President’s Daily Brief, wurde Ryan allmorgendlich ein Dossier vorgelegt, das ihn über aktuelle nachrichtendienstliche Informationen der CIA unterrichtete, Informationen, die in der Nacht zuvor zusammengestellt, rund 100 Mal vervielfältigt und verteilt worden waren. Die meisten Kopien wurden noch im Laufe des Tages vernichtet und nur wenige, drei oder vier, gelangten ins Archiv für den Fall, dass die elektronische Speicherung versagte. Wo sich dieses Archiv befand, wusste nicht einmal der Präsident. Er konnte nur hoffen, dass es streng bewacht wurde, möglichst durch Marines.
Das PDB enthielt natürlich nicht alles. Manches war so geheim, dass es nicht einmal dem Präsidenten anvertraut wurde. Ryan akzeptierte dies mit bemerkenswerter Gelassenheit. Geheim bleiben mussten zum Beispiel die Namen von Informanten und manche Methoden der Informationsbeschaffung und -übermittlung, Methoden, die technisch dermaßen kompliziert und verklausuliert waren, dass er ohnehin nichts verstanden hätte. Manche der so genannten takes – der durch besonders verwickelte Methoden aus ungenannten Quellen geschöpften Informationen – drangen nicht einmal zum Direktor vor, weil der anhand dieser Information sofort auf die Quelle hätte schließen können. Im Geheimdienst konnte der kleinste Fehler unersetzlichen Agenten das Leben kosten, was häufig genug geschah und worüber keiner glücklich war – obwohl manche Politiker in solchen Fällen eine geradezu empörende Gleichgültigkeit an den Tag legten. Seine
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