Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Stolmakergate 15
»Du könntest doch versuchen, es ein wenig gemütlicher einzurichten. Und sei es nur den Kindern zuliebe.«
Hanne Wilhelmsen hatte sich eine Lederschürze umgebunden, die voller Wein- und Essensflecken war. Resigniert gestikulierte sie mit einem Holzlöffel voller Tomatensoße.
»Vielleicht könntest du versuchen, meine Küche nicht ganz einzusauen«, erwiderte Billy T. grinsend. »Das macht es nun wirklich nicht gemütlicher hier, weißt du.«
Er strich mit dem Handrücken über die Kühlschranktür und leckte die rote Soße ab.
»Mmm, lecker. Jetzt müßten die Jungs hier sein. Spaghetti mit Hackfleisch und Tomaten ist ihr Lieblingsessen.«
»Tagliatelle Bolognese«, korrigierte Hanne. »Das sind doch keine Spaghetti!«
Sie hielt ihm die Tüte hin.
»Platte Spaghetti«, sagte er. »Aber was willst du damit?«
Er schnappte sich eine Stange Sellerie, biß hinein und zeigte auf eine Muskatnuß.
»Nicht anfassen!«
Wieder schwenkte sie den Kochlöffel, und diesmal brachte ihm das lauter rote Punkte auf seinem kreideweißen T-Shirt ein.
»Sieh dir doch mal das Wohnzimmer an«, sagte sie und legte den Deckel auf den Kochtopf. »Die Vorhänge stammen doch sicher noch aus den siebziger Jahren.«
Vermutlich hatte sie recht. Die Vorhänge hingen traurig schlief und betanden aus grobem, orangem Stoff mit braunen Streifen. In den Falten konnte man den Staub sehen, der sich im Laufe der Jahre dort angesammelt hatte.
»Du könntest sie doch wenigstens mal waschen. Und sieh dir das an!«
Sie starrte auf die Stereoanlage im Bücherregal, die im Licht einer Stehlampe mit drei Birnen und Bastschirmen funkelte und leuchtete.
»Wieviel hat die gekostet?«
»Zweiundachtzigtausend«, murmelte Billy T. und versuchte, mit einem Löffel in den Kochtopf zu langen.
»Nicht anfassen, habe ich gesagt. Zweiundachtzigtausend? Wenn du auch nur die Hälfte von dem Geld bei I KEA angelegt hättest, könntest du es hier richtig schön haben. Du hast ja nicht mal ein richtiges Sofa.«
»Die Jungs sitzen gern auf dem Boden.«
»Du bist und bleibst ein komischer Vogel«, lächelte sie. »Ich werde mal sehen, was ich tun kann, solange ich hier wohne.«
Billy T. deckte den Tisch und rückte den Fernseher so zurecht, daß sie beim Essen die Nachrichten sehen konnten. Dann öffnete er zwei Bier und drehte die Lautstärke herunter.
»Wann hören sie endlich auf mit den vielen Sondersendungen?« murmelte Hanne Wilhelmsen und band sich die Schürze ab. »Ich habe heute schon zwei gesehen, und sie sagen die ganze Zeit dasselbe. Wenigstens fast.«
»Und unser heutiger Studiogast ist Polizeipräsident Hans Christian Mykland. Herzlich willkommen«, sagte die Moderatorin.
»Danke.«
»Ich will gleich zur Sache kommen, Herr Mykland, ich weiß ja, daß Sie viel wichtigere Dinge zu tun haben, als hier ins Studio zu kommen. Könnten Sie uns einfach sagen, ob die Polizei jetzt, fast genau drei Tage nach dem Mord, einer Lösung im Fall Volter näher gekommen ist?«
»Der arme Mann«, murmelte Hanne, als sie die Antwort des Polizeipräsidenten hörten.
»Der hat zwar nichts zu erzählen, aber es soll sich nach ganz viel anhören. Tappt ihr wirklich dermaßen im dunkeln, Billy T.?«
»Fast.«
Er schlürfte seine Tagliatelle, bis sich um seinen Mund eine große rote Rose bildete.
»Clown«, murmelte Hanne.
»Wir haben schon noch mehr«, sagte Billy T. und wischte sich mit dem Unterarm den Mund ab. »Unter anderem ein ziemlich seltenes Kaliber.«
»Ach? Wie selten denn?«
»7.62 Millimeter. Wir werden wohl recht bald erfahren, was es für eine Waffe war. Aber das kann er natürlich nicht verraten.«
Er nickte zum Fernseher hinüber.
»Ich kapiere überhaupt nicht, was er da im Studio treibt, er darf doch sowieso nichts sagen. Er ist stinkwütend darüber, daß dieser Patzer mit dem Haftbefehl durchgesickert ist, und wir haben allesamt einen zusätzlichen Maulkorb in doppelter Stärke verpaßt bekommen.«
»Wird sicher auch nicht viel helfen«, sagte Hanne und trank einen Schluck Bier. »Das Präsidium ist doch so leck wie ein Sieb. Das war immer schon so.«
Der Polizeipräsident sah ungeheuer erleichtert aus, als er endlich gehen durfte. Die rothaarige Moderatorin führte die Zuschauer in ein weiteres Studio. Dort saßen die Fraktionschefs der im Parlament vertretenen Parteien an einem bumerangförmigen Tisch, und ein weiterer Moderator starrte ein wenig zu lange in die Kamera, ehe er schließlich einen
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